Das erste Gesetz der Magie - 1
machte Richard nichts aus, denn dann wurde er nicht ausgebildet, und niemand tat ihm weh. Das Herunterbeten der Worte konnte er jedoch nicht ausstehen, während des gemeinsamen Gesangs mußte er die ganze Zeit an Dennas Zopf denken. Stunde um Stunde immer dasselbe zu singen, auf den Knien, die Stirn auf die Steinplatten gepreßt, war kaum weniger beschwerlich als die Ausbildung. Richard stellte fest, daß er mitten in der Nacht oder am Morgen aufwachte und die Worte herunterleierte. »Führe uns, Meister Rahl. Lehre uns, Meister Rahl. In deinem Licht werden wir gedeihen. Deine Gnade gebe uns Schutz. Deine Weisheit beschämt uns. Wir leben nur, um zu dienen. Unser Leben gehört dir.«
Denna trug kein Rot mehr, statt dessen hatte sie weißes Leder angelegt. Sie erklärte ihm, es sei das Zeichen, daß er gebrochen und zum Gatten erwählt worden sei und daß sie, um ihre Macht über ihn zu demonstrieren, beschlossen hätte, ihn nicht auszubluten. Constance gefiel das überhaupt nicht. Für Richard machte es keinen großen Unterschied. Der Strafer fühlte sich gleich an, ob er dabei blutete oder nicht. Constance war ungefähr die Hälfte der Zeit bei Denna und verschwand gelegentlich, um ein Schoßhündchen abzurichten. Immer häufiger bestand Constance darauf, mit Richard allein gelassen zu werden, doch das ließ Denna nicht zu. Constance legte sich bei seiner Ausbildung mächtig ins Zeug. Je mehr Richard von ihr zu sehen bekam, desto mehr Angst hatte er vor ihr. Denna lächelte ihm zu, wenn sie Constance sagte, sie könne übernehmen.
Eines Tages, nach der Nachmittagsandacht, als Constance gegangen war, um jemand anderes auszubilden, brachte Denna ihn in die kleine Kammer neben ihrem Zimmer. Mit dem Tau hievte sie ihn hoch, bis er kaum noch den Boden berührte.
»Herrin Denna, würdet Ihr mit Eurer gütigen Erlaubnis zustimmen, daß von nun an Constance allein für meine gesamte Ausbildung verantwortlich ist?«
Seine Frage hatte einen unerwarteten Effekt. Sie wurde wütend. Sie starrte ihn an, wurde tiefrot im Gesicht, dann begann sie, mit dem Strafer auf ihn einzudreschen, bohrte ihn in seinen Leib, brüllte ihn an, wie wertlos er sei, wie nichtig und wie sehr sie Gerede leid sei. Denna war kräftig, und sie schlug ihn mit dem Strafer, so hart sie konnte. Es ging endlos so weiter. Richard konnte sich nicht erinnern, sie je so wütend gesehen zu haben, so unerbittlich, so grausam. Bald konnte er sich an nichts mehr erinnern, nicht einmal, wo er war. Er wand sich vor Schmerzen. Er brachte kein Wort hervor, schaffte es nicht, sie anzuflehen, aufzuhören, bekam die meiste Zeit nicht einmal Luft. Sie blieb unnachgiebig hart und ausdauernd. Sie schien immer wütender zu werden. Er sah Blut auf dem Boden, eine Menge Blut. Ihr weißes Leder war über und über damit bespritzt. Sie keuchte vor Anstrengung, vor Wut. Ihr Zopf löste sich.
Denna packte sein Haar und riß ihn nach hinten. Ohne jede Warnung bohrte sie ihm den Strafer härter ins Ohr als jemals zuvor. Immer wieder. Zeit verzerrte sich zu Ewigkeit. Er wußte nicht mehr, wer er war, was passierte. Er versuchte nicht einmal mehr, zu betteln, zu winseln, auszuhalten.
Dann hörte sie auf. Sie stand neben ihm, vor Zorn nach Luft ringend. »Ich gehe jetzt essen.« Er spürte, wie der magische Schmerz quälend in ihm emporstieg. Er riß die Augen auf, schnappte nach Luft. »Während ich fort bin, und ich werde mir viel Zeit lassen, überlasse ich dich dem magischen Schmerz. Du kannst weder ohnmächtig werden noch irgend etwas dagegen tun. Sobald du deinem Ärger freien Lauf läßt, wird der Schmerz schlimmer. Und du wirst ihm freien Lauf lassen. Das verspreche ich dir.«
Sie ging zur Wand und hievte das Seil hoch, bis seine Füße den Boden nicht mehr berührten. Richard schrie auf. Seine Arme fühlten sich an, als würden sie ausgerissen.
»Viel Vergnügen.« Damit machte sie auf dem Absatz kehrt und ging.
Richard balancierte auf dem schmalen Grat zwischen geistiger Klarheit und schierem Wahn. Das Leid fraß sich durch seinen Körper und machte es ihm unmöglich, seinen Zorn zu beherrschen, genau wie sie es ihm versprochen hatte. Er schien in den Flammen seiner Qual zu verglühen. Irgendwie war es schlimmer, weil sie nicht dabei war. Noch nie hatte er sich so allein gefühlt, so hilflos. Die Schmerzen waren so groß, daß er nicht einmal weinen konnte, er konnte bloß gequält nach Luft schnappen.
Er hatte keine Vorstellung, wie lange er allein gelassen wurde.
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