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Das erste Jahr ihrer Ehe

Das erste Jahr ihrer Ehe

Titel: Das erste Jahr ihrer Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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Dosen, einer Tüte Maismehl und H-Milch in Tetrapaks. Margaret hoffte, dass Patrick auch einen Beutel getrockneter Bananenchips, ihren afrikanischen Lieblingssnack, eingepackt hatte.
    Der Träger stapelte die Kartons in einer abgelegenen Zimmerecke, und sie gab ihm ein großzügiges Trinkgeld dafür. Er hatte das großflächige Gesicht und die breite Nase der Kikuyu, so ganz anders als James’ schmales Profil. Wenn sie lange genug im Land blieb, dachte Margaret, würde sie vielleicht noch lernen, die Stammeszugehörigkeit allein an der äußeren Erscheinung zu erkennen. Sie fragte sich, wie viele Mischehen es hier gab und ob sie eher die Ausnahme oder die Regel waren. Heirateten Luo und Kikuyu untereinander? Embu und Massai?
    Sie steckte sich das Haar zum Knoten hoch, suchte aus ihrem Koffer einen Pulli heraus und legte ihn sich um die Schultern. Sie brauchte dringend frische Luft und Bewegung. Obwohl die Fahrt nicht übermäßig lang gewesen war, hatte sie sich die ganze Zeit über beengt und wie eingesperrt gefühlt.
    Ob sie wohl die Stelle am Fluss finden konnte, an der Arthur und Patrick angelten? Vielleicht hatten sie sich einen Führer genommen. Sie war froh, dass Arthur und Patrick etwas gemeinsam unternahmen. Bisher hatte sich die Beziehung der beiden Männer auf kühle Blicke und Wortgefechte beschränkt.
    Den Fotoapparat über der Schulter schlug Margaret, die keine Lust hatte, dem feisten Holländer in der Badehose zu begegnen, einen Bogen um den Pool. Sie folgte einem Fußweg, der aus dem Park hinausführte und sich, hier und dort von einem Kampferbaum beschattet, durch Wiesen wand. Mit zunehmender Höhe hatte sich die Vegetation verändert. Neben Teeplantagen waren sie durch Kaffee- und Bananenpflanzungen, Weizen- und Maisfelder gefahren. Am Wegrand standen Sträucher mit gelben Blüten, eine Hamamelisart, vermutete sie. Einmal stieß sie im Schatten eines Wachholders auf ein üppiges Feld von Orchideen, das sie innehalten ließ. Nie zuvor hatte sie so viele dieser seltenen, zarten Blumen an einem Ort versammelt gesehen.
    Der Weg verlor sich jetzt beinahe in hohem Gras, das hier und dort mit Lobelien und Dalbergien gesprenkelt war. Unsicher, wann sie losgegangen war, schaute sie auf ihre Uhr. Es war drei. Sie dachte daran, umzukehren und zur Lodge zurückzugehen, als ein leises Schnauben sie aufhorchen ließ. Die Hand über den Augen ließ sie den Blick aufmerksam über die Wiese schweifen. Sie sah von der Impala, über der das hohe Gras beinahe zusammenschlug, nur den zierlichen Kopf mit dem leierförmigen Gehörn, den Bogen des Rückens und vielleicht ein Stück Schwanz. Das Tier hielt, ähnlich wie ein Reh, den Blick direkt auf sie gerichtet, während es auf eine Bewegung von ihr wartete. Sie hörte es im Gras rascheln und entdeckte das weibliche Tier und dann zwei, drei, vier, fünf kleinere Impalas, die flink umherhuschten. Der Bock stand reglos wie ein steinerner Wächter und fixierte sie unverwandt, während die anderen Tiere in der Wiese umherflitzten und tollten, sich hin und wieder zeigten, meist aber nur durch ein Zucken der Gräser wahrnehmbar waren, die wie von einem starken Wind geschüttelt schienen.
    Was denkst du gerade?, fragte Margaret stumm. Kannst du überhaupt denken? Oder wartest und lauschst du nur, um bei der kleinsten Veränderung der Witterung, dem winzigsten Zittern der Luft die Flucht zu ergreifen? Vor nicht allzu vielen Jahren, dachte sie, hätte sie hier als Jägerin stehen können, nachdem die Gesellschaft genau an dieser Stelle angehalten hatte. Und vielleicht hätten die Männer den Abschuss dieser leichten und nicht sonderlich großartigen Beute einer Frau überlassen. War eine Reaktion auf ein Aufblitzen von Metall inzwischen in das Erbgut des Tieres eingeschrieben?
    Es drängte Margaret, einen Schritt vorwärts zu gehen, nur um die kleine Herde in Bewegung zu sehen. Die Rücken der Impalas, stellte sie sich vor, würden aus dem wogenden Gras emporschnellen wie Delfine aus dem Meer. Aber sie blieb still stehen, ohne den Blick von den Augen des Bocks zu wenden. Wie sah er Margaret mit ihrer weißen ärmellosen Bluse und dem um die Schultern liegenden dunkelblauen Pulli? Würde er ihr Haar als Indiz dafür deuten, dass sie einer anderen Spezies angehörte, einer, vor der Vorsicht geboten war?
    Als Margaret spürte, dass sie zu lange in der prallen Sonne gestanden hatte, fiel ihr der Kampferbaum ein, unter dem sie kurz vorher hindurchgeschritten war. Dem Bock fest ins

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