Das erste Jahr ihrer Ehe
Frau«, stellte Patrick vor. »Margaret, das ist Elena. Sie ist Augenärztin und gehört zu unserem Team.«
Elena, mit goldenen Reifen an den Armen, streckte Margaret die Hände entgegen, in denen sie einen dünnen schwarzen Schal hielt. »Den werden Sie brauchen«, sagte sie mit einem ansprechenden italienischen Akzent.
Hinter Elena war die Stadt, kleine weiße Häuser und, zwischen ihnen verstreut, mehrere Moscheen mit ihren runden Kuppeln. Richtige Straßen gab es fast keine, nur enge kopfsteingepflasterte Gassen, die besser für Fußgänger als für Fahrzeuge geeignet waren. Alle Wege führten aufwärts zur Stadt. Patrick trug den Koffer, während Margaret sich züchtig den durchsichtigen Schal um die Schultern drapiert hielt.
»Wie war Ihr Flug?«, fragte Elena.
»Ganz in Ordnung.«
»Ich hasse fliegen. Im Flugzeug versuche ich immer zu schlafen.«
»Woran arbeiten Sie und Patrick denn?«
»Wir gehören zu einem Team, das als eine Art medizinische Expertenkommission losgeschickt wurde. Wir betreuen Patienten, wir sprechen über sie und über ihre Lebensverhältnisse und diskutieren dann in der Runde, um Lösungen zu erarbeiten. Das Ziel ist, wohltätigen Organisationen die Richtung vorzugeben, damit sie dort Hilfe leisten können, wo sie am dringendsten gebraucht wird.«
»Und wo sind die anderen? Wie viele Leute gehören zu Ihrem Team?«
»Die Gemeinschaftsarbeit wurde größtenteils in Malindi geleistet. Zwei von den anderen stoßen morgen zu uns.«
»Und seit wann sind Sie in Lamu?«
»Seit gestern Nachmittag. Anders ging es nicht. Sonst wären wir nicht rechtzeitig hier gewesen, um Sie abzuholen.«
Margaret folgte ihrem Mann eine steile Treppe hinauf. Die Männer, die ihnen begegneten, trugen Kufiyas und weiße Kanzus. Sie musterten Elena und Margaret, jedoch ohne dabei unhöflich zu sein oder Bemerkungen zu machen.
»Wir sind alle im Petley’s«, sagte Elena. »Sie und Patrick haben ein Dachterrassenzimmer mit herrlichem Blick. Ich bin unten, um die Ecke vom Foyer.«
Margaret ging gleichmäßig weiter, obwohl sie sich wie von Nadeln durchbohrt fühlte. Warum dieser geflissentliche Hinweis darauf, wie weit die Zimmer voneinander entfernt waren? Woher wusste Elena, dass Patricks Zimmer einen herrlichen Blick hatte? Hätte er das einer Kollegin unter die Nase gerieben, die nicht das Glück gehabt hatte, so ein Zimmer zu ergattern? Oder hatte er Elena wie eine gute Freundin nur kurz mit hinaufgenommen, um ihr den Indischen Ozean zu zeigen? Hatten sie vielleicht auf die Schnelle ein Glas miteinander getrunken, während sie diesen großartigen tiefen Horizont unter dem Indigoblau betrachteten? Und was war danach passiert?
Margaret wollte nicht weiterdenken; es war bisher nie nötig gewesen. Das alles ließ sich erklären. Sie war zu misstrauisch. Unfair gegen Elena, deren einzige Sünde ihre Schönheit war. Wäre sie auf solche Gedanken gekommen, wenn Elena eine unattraktive Person mit strähnigem Haar und unreiner Haut gewesen wäre?
Margaret wollte Patrick danach fragen und wollte es doch auch nicht. So oder so, dachte sie, wäre sie die Verliererin. Patrick würde vielleicht ehrlich entsetzt sein und dann zornig werden, dass es ihr überhaupt eingefallen war, eine solche Frage zu stellen. Margaret wäre die Verliererin. Oder er würde die Gelegenheit nutzen, um ihr zu sagen, dass er und Elena tatsächlich ein Verhältnis hatten und die Reise an die Küste mit Blick auf die sich bietende Gelegenheit geplant war. Margaret wäre die Verliererin. Oder er würde Entsetzen und Zorn aus Taktik einsetzen, um ihr Sand in die Augen zu streuen und keine weiteren Fragen zu diesem Thema beantworten zu müssen. Sie wäre die Verliererin. Einen Moment lang war sie wütend auf Patrick, dass er sie in diese Situation gebracht hatte. Warum forderte er sie zu einem vermeintlich idyllischen Wochenende zu zweit in Lamu auf, wenn er dann eine zweite Frau aus dem Hut zog? Und überhaupt, warum hatte er sie nicht am Telefon auf Elenas Anwesenheit vorbereitet? Er war schließlich nicht dumm.
Auf halbem Weg die Treppe hinauf hielten sie vor einem kleinen Café mit verschnörkelten schmiedeeisernen Tischen und Stühlen auf der Straße an. Im Innern konnte Margaret niedrige Holzmöbel mit weißen Polstern und Kissen erkennen. Sie war froh, sich in den Schatten des Hauses gegenüber setzen zu können. An einer offenen Tür sah sie einen Händler stehen, der mit einem anderen Mann schwatzte. Im Fenster war
Weitere Kostenlose Bücher