Das erste Mal und immer wieder
nichts mehr reinging und wir die Sitze hochkant wie einen steifen Stuhl drehen mussten, beluden wir noch das Dach. Große Plastiktüten waren voll mit Garderobe und anderem. Der ganze Wagen hing am Boden. Die Höchstgeschwindigkeit würde sich auf 80 Kilometer die Stunde belaufen. Aber das war uns egal.
Ein großer Abschied, ein paar Tränen und ein großes Feuer. All unsere Papiere verbrannten wir, alle Rechnungen und Blätter, alle Formulare, und auch Christopher heizte mit seinem »Schulkram« die Flammen an. Wir wussten nicht genau, was uns erwarten würde, aber dort, wo wir waren, wollten wir keinen Tag mehr bleiben. Und mehr »Kooperation«, mit wem auch immer, wollten wir auch nicht mehr zeigen.
Wieder schmiss ich bei einer Rundfahrt alle Schlüssel in die passenden Briefkästen, und endlich fühlten wir uns frei. Man erzählte uns, dass man anderthalb Tage fahren musste, wir rechneten mit drei und fuhren sechs Tage bis zur Fähre. Unterwegs schauten wir uns in Frankreich um, dinierten im feinsten Restaurant von Lyon und schlenderten durch belgische Parks und Anlagen. Wir schliefen auf dem Rasen, manchmal wie eingequetscht direkt im Auto. Wir sangen alle Lieder im Radio mit und fotografierten haufenweise Ameisenhügel.
Auf Mallorca angekommen, mieteten wir uns direkt in ein kleines Hotel ein und richteten uns dort häuslich ein. Christopher schnappte über vor Freude, rief alle seine Freunde an und kam in seine alte Schulklasse. Um ihm den Schulalltag zu erleichtern, zog er bald wieder bei Tommy ein. Die Nachmittage oder die Abende verbrachte er jedoch mit mir. Wir zogen herum, alberten uns durch die Stunden und begannen mit der Wohnungssuche.
Es war eine herrliche, unbeschwerte Zeit, obwohl ich wusste, dass noch ein Kraftakt vor mir lag, bis alles wieder normal funktionieren konnte. Aber diese Momente wollte ich mir nicht mit Gedanken solcher Art »verschandeln«, und so ließ ich meine Seele baumeln. Ich freute mich an meinem wieder »aufgeblühten« Sohn und speicherte die glücklichen Stunden tief in meinem Herzen. Erst als ich mich gut und sicher fühlte, rief ich meine ehemaligen Arbeitskolleginnen an. Alle waren längst nicht mehr hier, die Insel litt an Touristenschwund und stark gefallenen Preisen im Milieu. Viele waren deswegen weitergezogen oder hatten »umgesattelt«. Einige waren verheiratet, schwanger oder sonst wie »out of order«. Nicht so Toni. Sie war noch da. Ich hatte die ostdeutsche Frau irgendwo mal getroffen und mit ihr gearbeitet. Ich konnte sie gut leiden, wir hatten viel Spaß zusammen gehabt. Wir plauderten so über dies und das, und sie lud mich ein, sie in der Bar zu besuchen. Ich sagte zu und machte Pläne.
Toni hatte den Club gewechselt und arbeitete jetzt in einem Pärchenclub. Es waren nur einige ausgewählte Frauen da, die Inhaber waren Franzosen und liebten das »Swingen«. Da aber auch »Solo-Männer« die Bar betraten, hatte man eine Auswahl an Mädchen, um ihnen den Partner zu ersetzen. Aber auch richtige Ehepaare und andere Beziehungen tummelten sich in den hinteren Räumen. Alles war erlaubt, Gruppensex, der in Orgien ausartete. Es herrschte ein reges Treiben.
Auch gestrippt wurde, diesmal aber »à la Amerika«, direkt auf der Theke. Der Chef führte mich durch die Räume, erklärte mir die Preise und alles, was ich wissen musste. Er ging davon aus, dass ich gleich bleiben würde, und verwies mich auf die »Umziehkabine«. Aber das lag fern meiner Absicht, als »Horizontale« würde ich nie mehr arbeiten.
Seit Monaten schon fühlte ich es in mir. Jetzt, nach all dem, was ich erlebt hatte, würde ich keine Probleme mehr damit haben, Menschen wehzutun. Unbezwingbar groß war der Wunsch, andere zu demütigen, um mir dadurch sexuelle Lust zu verschaffen, aber auch mein Leben zu finanzieren. Schon wenn mich schüchterne Typen scheu von der Seite betrachteten, merkte ich, wie mein Slip feucht wurde.
Aber erst wollte ich einen »Testlauf«. In der gleichen Nacht wurde ich fündig. Ich blieb als normale Touristin an der Bar sitzen und zog mir einen Whiskey nach dem anderen rein. Ich war aufgeregt, aufgekratzt, erregt durch das gewohnte Ambiente. Und ich fühlte mich sicher unter dem Schutz und den Augen aller. Nur auf mein Opfer musste ich noch warten. Aber nicht lange, ich konnte seine Augen schon auf mir spüren.
Instinktiv wusste ich, dass er mich ansprechen musste, sonst würde es nicht funktionieren. Er tat es.
»Verzeihung, arbeiten Sie hier?«, er lächelte
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