Das erste Mal und immer wieder
direkt vor meinen Augen. Lagen da und waren erschöpft und zufrieden. Andrea war die Erste, die zu sich kam. Sie spürte die riesige Eifersucht und Verzweiflungswelle, die aus meiner Ecke kam. Sie murmelte etwas von »Ui, schon so spät«, verlegen; ohne Licht zu machen, schlüpfte sie in ihre Unterwäsche und zog sich an. Jörg klopfte an ihrem Bauch herum.
»Das war Spitze, war das geil.« Er war außer sich vor Begeisterung und hätte am liebsten eine neue Verabredung gemacht. Ich wusste, ich konnte keine Schuldzuweisungen vornehmen. Ich wusste, ich hatte keine Chance, irgendetwas dagegen zu sagen, also brachte ich das Einzige vor, was ich vorbringen konnte: »Wieso bist du in ihr gekommen, das hättest du nicht tun dürfen.« Jörg schien betroffen, er versicherte mir seine Liebe, war im Gefühlsrausch, und als Andrea gegangen war, liebten wir uns wie am ersten Tag. Es war ein unheimlich intensives, wenn auch schlichtes Gebumse.
Ich saugte und hing an seinem Körper und weinte sogar ein bisschen dabei. Ich liebte ihn so, und meine Sehnsucht war übergroß und das, obwohl er so nah bei mir war.
Danach, als er lange schon schlief, wurde mir klar, dass sich alles verändert hatte. Der Alkohol schwand aus meinem Kopf, meine Gedanken wurden klarer und ich dachte an Andrea. Das war ein Fehler, dachte ich, ein großer Fehler. Unsere Freundschaft, die jahrelang so innig und tief war. Geblieben war nur ein nackter Körper, der sich an meinen Mann klammerte. So sah ich ihr Bild, sah immer ihre geschlossenen Augen und wusste plötzlich, sie wollte ihn auch. Es war eine der letzten Nächte, in denen ich mich noch an meine Ehe klammerte.
Wenige Wochen darauf verschrieb mir mein Arzt eine Kur, ich war bis auf 45 kg abgemagert und nur noch ein Schatten meiner selbst. Allgemein wurde Magersucht vermutet. Ich hatte einfach keine Lust zum Essen. Oft habe ich es einfach vergessen.
Meinen Sohn, gerade ein halbes Jahr alt, konnte ich mitnehmen. Wir fuhren nach Juist, einer wunderschönen kleinen Nordseeinsel, auf der es kein einziges Auto gab. Sechs Wochen sollte es dauern, und ich schrieb viele Briefe und Karten nach Hause.
Jörg rief ein- oder zweimal an und erkundigte sich nach uns. Er erzählte von Sonderdiensten und viel zu tun beim Bund, von diesem und jenem. Aber das Wichtigste ließ er weg.
Andrea. Ich erfuhr es, als ich unerwartet am Bahnhof unserer Stadt ankam. Ich hatte es vor Sehnsucht nicht mehr ausgehalten und wollte meinen Mann überraschen. Solariengebräunt und mit ausgeglichenem Gewicht, sowie seelisch durch Gespräche mit Kurpersonal gestärkt, hatte ich alles als eine »jugendliche Dummheit und normale Neugierde« abgetan. Auch bei meiner Freundin wollte ich mich entschuldigen und versuchen, unser Verhältnis wieder auszugleichen. Ich dachte an meinen kleinen Sohn, der so wunderschön wie sein Vater war, und an meine Ehe, die ich retten wollte. Ich war sicher, alles könnte gut werden, und hatte mir fest vorgenommen, den Haushalt jetzt besser und aktiver zu gestalten. Ich rief ihn erst an, als ich fast da war, und er holte mich ab. Ich roch ihr Parfüm noch im Wagen, und er stritt es auch nicht ab. Er hatte sie direkt vorher nach Hause gebracht.
Ich habe sie noch einmal getroffen. Sie flehte mich an, sie anzuhören, und das habe ich dann auch getan. Hatte er es mir als einen einmaligen Seitensprung verkauft, erzählte sie mir von Blumenmeeren vor ihrer Tür, ständigen Anrufen und Liebesschwüren seinerseits. Ich hatte keine Ahnung, wer die Wahrheit erzählte, aber es spielte für mich auch keine große Rolle. Mein Herz und mein Körper waren ein einziger Schmerz. Lebten wir noch zusammen, so lebten wir doch nur nebeneinander her. Es war klar, dass diese Verbindung vorbei war. Übrig blieben Vorwürfe, einen lebenslangen Kredit an sein Bein gehängt zu haben. Das war die Antwort auf meine vielen Fragen. Er war sauer über das Kind, und er sagte es mir deutlich: »Es ist dein Sohn! Und nur dein Sohn.« Mir wurde klar, dass für ihn unsere Ehe schon lange beendet war. Mir blieb nur noch Susanne, um mich auszuheulen. Ich saß Tag und Nacht mit ihr zusammen, schlief bei ihr und wusste nicht ein noch aus. Er zog zu seinen Eltern. Bei der Gelegenheit nahm er gleich alles mit, was sich in der Wohnung befand.
Zurück blieben nur das Kinderbett, die Wickelkommode und ein paar Pflanzen auf dem Boden, deren Tontöpfe zerbrochen waren, genauso wie mein Herz. Ich blieb zurück in der Wohnung. Ich dachte, das sei das
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