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Das erste Mal und immer wieder

Das erste Mal und immer wieder

Titel: Das erste Mal und immer wieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Moos
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Ende, dabei fing da alles erst richtig an.
    Es folgten sechs unglaublich harte Monate. Ich tauschte die Dreizimmerkellerwohnung ohne Möbel mit einer winzig kleinen Zweizimmerwohnung in meinem alten Dorf. Von der Caritas bekam ich einige Sessel und einen Tisch. Einen Fernseher konnte ich mir nur mieten.
    Meine Mutter, nur noch selten ansprechbar, unterstützte mich, wo sie konnte. Das Geld vom Staat, das ich bekam, war lächerlich wenig. Irgendwie wurde das Gehalt meiner Mutter mit einberechnet, jedoch ihre privaten Verpflichtungen nicht akzeptiert. Jörg zahlte natürlich nichts, erst als das Kind sechs Jahre alt war, konnte er diese Verpflichtung wahrnehmen. Wir überlebten mehr schlecht als recht. Jeden Montag gingen wir in eine so genannte Krabbelgruppe beim örtlichen Kindergarten. Christopher fiel über die Picknickkörbe der anderen Mütter her, und ich beneidete sie alle.
    Ich war zurück zu Hause, aber es hatte sich nichts geändert. Wieder war ich ausgestoßen und mein Sohn mit mir. Schuhe hatte der Kleine überhaupt nicht. Seine beiden Pullis im Wechsel waren ständig verschmutzt und verklebt. Sein Spielzeug bestand aus fünf Plastikringen, die er zusammenschrauben konnte. Es war furchtbar, und wir hatten sehr oft richtigen Hunger. Meine Schwiegermutter bot mir ihre Hilfe an. Aber immer, wenn ich den Kleinen zu ihr brachte, war es ein mühsamer Kampf, ihn wiederzubekommen. So verzichtete ich möglichst auf diese Hilfe und versuchte, mit nächtlichen Gelegenheitsjobs irgendwie etwas dazuzuverdienen, trug in aller Herrgottsfrühe Zeitungen aus, putzte die Wohnungen der umliegenden Nachbarn oder half im Supermarkt beim Sortieren der Artikel.
    In einer ganz schlimmen Situation verkaufte ich schließlich alles, was in der Wohnung zu verkaufen war, nur um Lebensmittel kaufen zu können. Freunde hatte ich nicht, außer Susanne, die selber damit beschäftigt war, einen Heiratsschwindler aus ihrem Leben zu entfernen.
    Da ich Christopher ständig mit mir nahm, auch zum Zeitungsaustragen, hatte ich ihn auf den Rücken geschnallt. Die Leute riefen beim Jugendamt an, und ständig bekam ich nun Besuch oder wurde von »Staats wegen« attackiert. Hilfe bot man mir nicht, lediglich das Kind hätte man gerne anderweitig untergebracht. Das kam für mich nicht in Frage, und so kämpfte ich gegen alles, was sich mir in den Weg stellte.
    Aber ich hatte noch einen Bruder. Ich rief ihn an.
    Mittlerweile war er aus dem Polizeidienst ausgeschieden und lebte in einer 150 Kilometer weit entfernten Stadt. Er betrieb dort eine kleine Sportgaststätte und lud mich für ein Wochenende zu sich ein. Die ganze Zeit über hatte ich nicht nur Existenzprobleme, auch seelisch war ich fix und fertig und litt unbeschreiblich unter der Trennung von Jörg.
    Der frönte seinem neuen, freien Leben in einer kleinen Studentenwohnung und holte eine Ausbildung nach. Nur etwas später lernte er seine jetzige Frau kennen. Die Ehe ist bis heute kinderlos. Für Jörg war ein zweiter »Kredit«« undenkbar. Er hat mich oder seinen Sohn niemals besucht oder angerufen.
    Ich beschloss also, ein Wochenende bei meinem Bruder zu verbringen. Meine Schwiegermutter war begeistert, das Baby über das gesamte Wochenende behalten zu können, und ich machte mich per Zug auf den Weg.
    Es ist wohl so, dass man manchmal längst wieder »on Tour« ist, wenn man sich selber noch im Dunkeln wähnt. Mein Leben schien still zu stehen. Ich hatte keine Kraft aufzustehen und etwas zu verändern. Es war, als säße ich in dem Netz einer riesigen Spinne. Gesalzen hatte sie mich schon, nur verspeisen musste sie mich noch.
    Lieber Jörg: Nach 14 Jahren habe ich dich wiedergesehen, kein bisschen verändert. An Gewicht zugenommen hast du deiner Selbstgefälligkeit entsprechend. Du sagst, »wir waren zu jung und zu unerfahren«. Aber wie alt muss man sein, um andere Menschen zu respektieren? Das Schlimmste, was du mir je gezeigt hast, war deine grenzenlose Oberflächlichkeit.

LEICHTE BEUTE
    Es war ein Freitagabend, als ich dort ankam. Die Stadt war viel größer, als ich gedacht hatte, und alles war mir fremd und etwas unheimlich. Bald hatte ich die Kneipe gefunden. Ich ging direkt in die Gaststube, und mein Bruder freute sich riesig, mich zu sehen. Wir beschlossen jedoch, erst am nächsten Tag über alles zu reden, und so bestellte ich mir erst mal eine Whisky-Cola. Es tat gut, der Musik zu lauschen, meinen Bruder in der Nähe zu wissen und unter Menschen zu sein, die nichts von mir

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