Das erste Mal und immer wieder
sich herum an der Longe laufen, um Anfängern behilflich zu sein. Er sprach nur spanisch, und so waren unsere Unterhaltungen begrenzt. Bald schon schleppte ich ein Wörterbuch mit mir rum, und so begann unser Herbst.
Von der Figur war er groß, fast drahtig. Seine sehnigen Arme waren muskulös und straff. Meist mit freiem Oberkörper, leicht verschwitzt und nach Stall riechend, empfing er mich. Immer in Hektik, immer in Eile. Ich war nun so oft da, dass ich mir selber die Stute holte und sie sattelte. Ich wusste, wo alles war, und putzte sie häufig, bevor ich ausritt. Auch danach säuberte ich sie erneut, und schon bald sah man kleine Stellen glänzenden Fells an ihr. Ich entwirrte ihre dicke Mähne, stutzte ihren Schweif und verwöhnte sie mit allem, was meine Küche hergab und was Pferde liebten. Fast täglich ließ ich mich nun von ihr träge, gemütlich durch die Landschaft tragen und gab ihr bald keine Richtung mehr an. Sie lief, wie sie wollte, kreuz und quer, immer auf der Suche nach fettem Gras.
Aber immer mal wieder schafften wir es auch in die Berge. Ich ging dann vor ihr her die manchmal fast steilen Anhänge hinauf, und oben wurden wir mit einem traumhaften Blick über Buchten und Häuserreihen belohnt. Dann futterten wir die Tüte leer, ich schlürfte mitgebrachten Tee aus meiner Thermoskanne und ruhte mich im Schatten aus. Diese Nachmittage machten mich irgendwie prickelnd und erweckten die Sehnsucht nach mehr Geborgenheit und Ruhe in mir. Bald, dachte ich dann immer, sehr bald schon wird alles richtig gut. Manchmal sahen wir Rene. Er selber hatte einen prachtvollen Andalusier, einen schönen Hengst, wild und ungestüm. Wann immer er Zeit hatte, tobte er mit ihm über die Felder und versuchte mich zu animieren, ihn zu begleiten. Aber dann hätte ich die Stute gegen ein jüngeres, kräftigeres Tier austauschen müssen, und das wollte ich nicht. Der Gedanke, dass dann ein womöglich fetter, unausgeglichener »Touri« das Pferd »bespringen« könnte, war mir nicht recht. Wir hatten uns gesucht und gefunden, und ich glaube, es genoss diese Ausflüge genau wie ich.
Zeitweise ritt er dann im Schritttempo neben uns her, erklärte mir die spanischen Worte für Pferd, Gras, Sattel usw., um dann wieder im wilden Galopp davonzupreschen. Er war glücklich, das sah man ihm an. Auch wenn er hier recht einsam lebte, wie ich festgestellt hatte.
Es wurde Herbst und im Laden immer stiller. Die Hälfte der Mädchen zog mit der Sonne weiter auf die nächstgelegene Urlaubsinsel. Ich konnte nicht mit, wollte ja Chrissi holen, aber ich hätte auch nicht gewollt. Des ewigen Rumziehens leid, freute ich mich, länger an einem Fleck zu bleiben.
Ich fuhr weiterhin fast täglich zum Gestüt. Oft saß ich mit Rene beim Essen zusammen oder mistete mit ihm die Ställe aus. Noch immer hatten wir große Verständigungsschwierigkeiten, aber trotzdem viel Spaß miteinander. Nach wenigen Wochen landeten wir auch im Stroh. Er bemühte sich dabei und danach sehr um mich. Er pflückte mir Blumen, kochte uns was zum Essen, putzte meine Stiefel, schenkte mir sehr viel Aufmerksamkeit. Obwohl ich die Schäferstündchen sehr mochte und es mir gut tat, mit ihm zusammen zu sein, wollten sich bei mir einfach keine Gefühle einstellen. Ich fragte mich selbst, was mit mir los sei, immerhin sah er blendend aus und war sehr charmant. Liebe machte er höflich und vorsichtig, war freundlich und zärtlich. Er war nie grob oder ungeduldig, zerrte niemals an meinen Sachen und drängte mich auch nie. Er war verliebt. Er spürte, dass es mir leider nicht genauso ging, und mich ärgerte das am meisten. Ich hätte ihm gern mehr Wärme geschenkt, aber ich konnte nicht aus meiner Haut heraus. Ich glaube, mein Körper und meine Seele waren selbst für die Liebe zu müde, viel zu erschöpft, um zu lieben.
Ein paar Mal picknickten wir zusammen in den Bergen, liebten uns auf einer alten Stalldecke und massierten uns gegenseitig die Körper rot. Und so sehr ich das alles genoss, so sehr ich mir wünschte, mehr in ihm zu sehen, ich konnte nicht, war blockiert. Er fing an zu leiden, sprach niemals offen darüber, beklagte sich nicht. Aber ich konnte es sehen, konnte es spüren. Ich bat ihn, mir Esmeralda zu verkaufen. Ich hatte einen Bauern gefunden, der ihr für ein paar Mark Unterschlupf auf seiner Wiese mit zwei Eselinnen und einem Schaf gewähren und ihr das verdiente Gnadenbrot spendieren wollte. Er willigte ein, sie wäre sowieso beim Seifenhändler
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