Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
Vom Netzwerk:
Reisende höhnisch grinsend vom sicheren Weg fortlockte – hin zu ihrer dunklen
     Höhle und vorbei an Baumwächtern, die einen Menschen mit ihren schlangengleichen Ästen im Nu zu erdrosseln verstanden? Was,
     wenn die Wege, die in den Pfuhl führten,
wirklich
lebendig waren und aus eigenem Willen ihre Richtung verändern und so jedermann in den Tod führen konnten? Was, wenn dieser
     Ort
wirklich
voller Schatten-Flügler, Felsungetüme und anderer Kreaturen war, deren Tagwerk hauptsächlich darin bestand, sich immer |132| neue, immer schmerzhaftere Todesarten für jene einfallen zu lassen, die leichtsinnig genug waren, ihnen über den Weg zu laufen?
    Skip wich einem Ast aus, der wie die groteske, flehend gereckte Hand eines Bettlers tief über den Pfad hing. Zumindest eines,
     was er über den Pfuhl gehört hatte, erwies sich somit als wahr. Der Pflanzenwuchs hier war wirklich anders. Keine einzige
     Eiche und nicht einen Kythar-Baum hatten sie in den letzten zwei Stunden gesehen. Der luftig-lichte Eichen- und Rotbuchenwald
     rings um ihr Dorf war zerzausten, wie tollwütig ineinander verwucherten Klettenbäumen gewichen, die aus einem kaum durchdringbaren
     Unterholz aus Dornenranken und Rabaugenbüschen emporragten. Ledrige Blätter bildeten ein Kuppeldach über ihnen, das jede Sonnenhelligkeit
     aussperrte und alles in grünliche Feuchtigkeit und intensive Erdreich-, Pilz- und Farngerüche tauchte. Mehr und mehr hatte
     Skip das Gefühl, schreien zu müssen, wenn er in die Walddüsternis spähte, wo dunkle Wasserpfützen zwischen moosüberwachsenem,
     knorrigem Wurzelwerk schimmerten. Der Pfuhl hatte sich ganz allmählich um sie herum geschlossen und war nun allgegenwärtig.
    Dass er völlig vergessen hatte, auf den Weg zu achten, begriff Skip erst, als er gegen Kara stieß, die wie angewachsen vor
     ihm stehen geblieben war. In der Düsternis des Waldes hatten ihre Augen einen Stich Indigo angenommen.
    »Still!«, befahl sie mit einer lautlosen Mundbewegung.
    Plötzlich fror Skip bis ins Mark. Aus den Augenwinkeln sah er, dass auch Erle und Ellah wie steinerne Götzen verharrten.
    So standen sie eine Ewigkeit, lauschend. Dass es windstill war und hier und da fern im Dickicht raschelte, tröpfelte, knarrte
     – mehr vermochte zumindest Skip nicht wahrzunehmen. Der Wald hatte sein ganz eigenes Leben und nahm keinerlei Notiz von den
     Eindringlingen. In luftigen Höhen, |133| irgendwo außerhalb dieser klammen Welt aus Geflüster und Halblicht, krächzte ein Rabe.
    »Was   –«, begann Skip.
    Karas Hand schoss hoch und legte sich über seinen Mund; ihr Gesicht spürte er plötzlich dicht an der Nasenspitze. Ihre Haut
     duftete ganz schwach nach Flieder und Zimt, und Skip hatte das Gefühl, als schlage der Wald Purzelbäume. Ihre Nähe machte
     ihn schwindelig.
    »Wir müssen uns verstecken!«, hauchte Kara endlich. »Jemand folgt uns.«
    »Woher willst du das wissen?«, kiekste Ellah. »Ich hör’ niemanden!«
    Kara zuckte die Schultern. Sie nahm ihre Hand von Skips Mund, umfasste die Zügel fester und verließ mit ihrem Pferd den schmalen
     Pfad.
    »Das ist nicht dein Ernst!«, protestierte Erle. »Wir dürfen diesen verdammten Weg nicht verlassen!«
    »Ruhe«, zischte Kara. »Ihr weckt noch den ganzen Wald!« Sie führte ihr Pferd zwischen zwei Rabaugenbüschen hindurch und winkte
     den anderen, zu folgen.
    Skip hoffte inbrünstig, dass sie wusste, was sie tat. Mit einem tiefen Luftholen tauchte er hinter Kara in das Gespinst grüner
     Blätter ein und hatte das Gefühl, zu ertrinken. Das Moos unter seinen Sohlen gab nach, Schlamm und Wasser spritzten, und er
     sank bis zu den Waden ein. Verzweifelt hielt er Ausschau nach etwas, woran er sich festhalten konnte   ... Dann begriff er plötzlich – er sank nicht mehr tiefer. Er wartete, befahl sich, weiterzuatmen, Ruhe zu bewahren, und wagte
     es schließlich, den nächsten Schritt zu tun. Der Morast klammerte sich an seinem Stiefel fest – und gab ihn mit einem Schmatzen
     frei.
    Vorsichtig atmete Skip aus und watete hinter Kara her. Hinter sich hörte er Erle und Ellah. Er drehte sich halb um. Die Abdrücke
     seiner Stiefel im moosüberwucherten Schlamm |134| hatten sich bereits wieder geschlossen; kleine Dellen im Waldboden – mehr war nicht davon übrig.
    Nach einigen Minuten fanden sie hinter einem gewaltigen, verkrüppelten Klettenbaum und dessen Hofstaat aus Flaumbüschen und
     stachelbewehrten Krötenbeer-Ranken ein Versteck. Kara leinte ihr Pferd

Weitere Kostenlose Bücher