Das Erwachen
die Dunkelheit und der Rauch und der dicht über dem Boden wabernde Nebel verschmolzen zu einer dicken, schwarzen Suppe.
Jemand zog an ihren Haaren, schob ihren Ellbogen weiter.
Und dann …
Inmitten all der anderen Geräusche und der Schreie ein Flüstern.
»Lauf, Megan, lauf!«
Dann ein Lachen. Ein leises, unheimliches Lachen, direkt an ihrem Ohr.
Die Person in Umhang und Kapuze hatte sie noch immer an der Hand, in einem tödlich festen Klammergriff.
»Wir müssen noch weiter. Wir müssen weiter weg.«
»Nein, ich muss Finn suchen!«
»Finn ist schon okay. Aber wir müssen weg von hier!«
»Wer zum Teufel sind Sie denn?«
Sie versuchte, sich loszureißen, doch der Griff war unnachgiebig, eisern. Sie konnte das Gesicht der Person nicht sehen. Die Stimme war tief und rau.
»Es ist alles in Ordnung, Megan. Ich bin es, Mike. Bitte, lass uns einfach nur weit genug vom Hotel weg, falls es zu einer Explosion kommt. Finn kommt heraus; er wird wissen, dass du draußen bist.«
»Nein!«, widersprach sie vehement. »Finn wird nach mir suchen; er läuft am Ende wieder in das Haus hinein!«
Offenbar hörte Mike nicht, was sie sagte. Jemand schob sie von hinten an, zwang sie, weiterzulaufen. Mike nutzte das aus, er packte ihre Hand noch fester und begann zu rennen.
Gezogen und geschoben gleichermaßen hastete und stolperte Megan über den Parkplatz. Sie rannten an den Autos vorbei, das bekam sie mit.
Und auf den Wald zu.
Megan war nicht mehr auf der Bühne; davon hatte Finn sich überzeugt. Trotz fliegender Funken und überall in diesem Bereich hochzüngelnder Flammen kroch er auf Händen und Knien über das gesamte Podium und betete, dabei nicht einen elektrischen Schlag abzubekommen. Leute rannten durcheinander, stolperten und schrien. Er hörte jemanden um Ruhe und Fassung bitten; die Stimme klang wie die von Adam Spade. Tartan war es bestimmt nicht, dachte Finn verbittert. Der war wohl der Erste gewesen, der das Gebäude verlassen hatte.
Jemand krachte mit einem lauten Schlag gegen die Bühne. Finn fand einen Ellbogen und half der Person, wer immer es war, auf die Füße. Die Gestalt ließ ein kaum verständliches »Danke!« vernehmen.
»Raus mit dir, Mann, raus!«, schrie jemand ihm zu.
Eine weitere kleine Explosion erschütterte die Bühne. Finn rollte rückwärts, um den Flammen auszuweichen. Er landete hart auf der Tanzfläche vor der Bühne und duckte sich rasch darunter, um nicht niedergetrampelt zu werden. Trotz der vielen vorbeistürmenden Beinpaare schaffte er es dann, wieder herauszukommen und sich aufzurappeln.
Beißender Rauch stieg ihm in die Nase. Dieser Geruch wies definitiv auf ein Feuer durch Stromschlag oder Ähnliches hin, doch er wusste, dass der Zustand seiner Anlage bestens gewesen war. Also …
»Weiter, weiter, weiter! Das Feuer breitet sich aus!«
Es stimmte tatsächlich, auch wenn es eigentlich gar nicht sein konnte, denn inzwischen arbeitete die Sprinkleranlage auf Hochtouren. Vom allgemeinen Exodus erfasst, beschloss Finn, mit der Menge mitzugehen, und rief dabei immer wieder Megans Namen.
Die Versuchung, sich der Panik hinzugeben, lag nahe; er musste die Zähne zusammenbeißen und sich sagen, dass Megan ein geschickter und kluger Mensch war; dass sie genau wie er einfach mit der Menge mitgehen werde und gar nicht anders konnte. Wenn er einen Ausgang fand, dann würde er auch sie finden.
Und doch gewann die Angst die Oberhand. All dieser faule Zauber um Träume und Dämonen. Und nun war die größte Gefahr, der sie ins Auge sehen mussten, ein Feuer. Eine sehr reale Gefahr. Nicht etwas, das aus dem Nebel oder irgendwelchen Vorstellungen kam.
Ein Feuer, das auf der Bühne ausgebrochen war.
Ein vorsätzlich gelegtes Feuer?
Er dachte an den Nachmittag zurück und erinnerte sich daran, was Lucian gesagt hatte – dass sie morgen Nacht nicht spielen würden. Sie sollten zwar spielen, würden es aber nicht tun, weil um Mitternacht die Stunde schlug.
Die Stunde, in der ein Dämon am besten zur Erde zurückkehren könne.
»Megan!« Seine Stimme übertönte den Lärm der Sprinkler, die Schreie, das Stampfen und das Krachen von Gegenständen um ihn herum.
Ein paar Minuten später hatte er es nach draußen geschafft.
In etwas viel Schlimmeres als die Dunkelheit.
Ein wahres Schattenreich. Denn der Rauch hatte sich mit dem unaufhörlichen Nebel vermischt, der hier fast immer zu herrschen schien, und es war nichts zu sehen außer Schatten, vagen Gestalten.
»Megan!«
Er rief
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