Das Erwachen
ein schmeichlerisches Arschloch … und ich knöpfe ihn mir vor.«
Die Hände zu Fäusten geballt, schritt Finn schnurstracks aus der Kirche.
Megan schrie und schrie. Sie war über ihr. Die Statue der gehörnten Kreatur. Und sie war noch immer nur Marmor und Stein, aber nun …
Die Augen bewegten sich. Sie war sich sicher. Das Gesicht hatte ein Eigenleben. Es grinste sie höhnisch an, lachte sie aus. Die Statue stand am Ende des Altars, auf dem sie, Megan, gefesselt lag, und sie spürte, wie sie nach ihr griff. Die steinernen Hände, oder Hufe, bewegten sich nicht, aber sie konnte es spüren. Neckische Berührungen, unzüchtige Berührungen, alles andeutend, was böse war, als würde sie sie vergewaltigen, allein schon durch den Blick dieser Augen …
Und als Megan anfangs die Augen geöffnet hatte …
War das Gesicht, das so lebendig gewirkt hatte, eine grässliche Parodie von Finns Gesicht gewesen.
* * *
Das Museum hatte geschlossen.
Inzwischen waren die »Süßes oder Saures!« rufenden Kinder schon überall in den Straßen. Kleine Hexen, Geister, Kobolde, Film- und Rockstars, Prinzessinnen und anderes mehr liefen herum, lachten, kreischten und schrien.
Doch als Finn vor dem Museumsgebäude innehielt und dabei über sein Unvermögen wetterte, sah er plötzlich Mike Smith die Straße hinuntereilen.
Aus einiger Entfernung und mit den vielen Kindern zwischen ihnen blickte er unvermittelt auf und sah Finn.
Und begann zu rennen.
Finn nahm mit Lucian an seinen Fersen die Verfolgung auf und entwickelte ein atemraubendes Tempo, das er bislang nicht von sich gekannt hatte. Smith war ihm ein gutes Stück voraus.
Aber nicht weit genug.
Er holte ihn ein, warf ihn zu Boden und setzte sich rittlings auf ihn.
»Wo? Wo ist Megan?«
»Was willst du denn? Ich habe versucht, sie in Sicherheit zu bringen. Irgendein anderer Trottel hat sie mir weggenommen. Was bist du eigentlich, ein Vollidiot? Ich würde ihr nie etwas antun, niemals …«
»Wo zum Teufel ist sie?«
»Weiß ich doch nicht! Kapierst du das denn nicht! Ich habe sie nach dem Brand noch gesehen, ja. Habe versucht, sie von dem Feuer wegzubekommen. Aber da war noch jemand anderer …«
»Sag es mir!«
Finn war in Rage, er war im Begriff, Mike Smith an die Gurgel zu gehen, doch Lucian legte eine Hand auf seine Schulter und zog ihn auf die Füße.
»Finn!«
Finn keuchte. Lucian zog ihn hoch und half auch Smith wieder auf die Beine. »Megan hat mit Ihnen gesprochen. Wir müssen wissen, ob sie womöglich irgendetwas über ihre Träume gesagt hat oder über die eigenartigen Vorfälle.«
»Los!«, krächzte Finn.
»Sprechen wir im Gehen. Wir müssen zu den anderen zurück«, erklärte Lucian. »Los, kommt – ich habe den Priester schon zum Auto geschickt.«
»Wir brauchen die Polizei«, sagte Finn.
Lucian schüttelte den Kopf. »Die Polizei kann uns jetzt nicht helfen. Wir müssen herausfinden, wo wir hin müssen – und dann muss jeder Einzelne von uns seine oder ihre Rolle spielen.«
»Rolle – welche Rolle?«
»Bei unserem Vergeltungsschlag gegen die schwarze Messe«, sagte Lucian.
Es war nur eine steinerne Statue. Das Bild von Finn war verblasst, und Megan sah, dass die Statue so am Ende des Altars aufgestellt war, als würde sie jeden Augenblick auf sie herunterkommen.
Doch auf ihren Schrei hin kam jemand angerannt. Ein Gesicht tauchte über ihrem auf.
Das von Gayle Sawyer. »Ah, Megan! Du bist wach. Wie schön von dir, zu uns zu kommen.«
Sie war nicht überrascht, das Mädchen zu sehen. Sie fragte sich, ob auch Mike daran beteiligt war.
All die kleinen Piercinglöcher in Gayles Gesicht und Ohren waren jetzt ausgefüllt. Überall hatte sie kleine, silberne, verkehrt herum aufgehängte Pentagramme, Widderköpfe und gehörnte Götter.
Megan riss unwillkürlich an den Stricken, die sie an den Altar fesselten. Gayle bemerkte es und lächelte. »Sie sind fest und stramm. Unser Priester weiß, wie man gute Knoten macht.«
Megan war entsetzt, so sehr, dass sie Angst bekam, wieder in Ohnmacht zu fallen. Und das würde ihr ganz und gar nicht helfen. Ebenso wenig wie ein Wortgefecht mit Gayle, doch sie dachte, dass Wut ihr vielleicht so lange Kraft geben konnte, bis …
Bis sie starb oder bis Hilfe kam.
»Weißt du, du kommst ins Gefängnis. Und irgendeine Rockerbraut, die ihren Mann und noch fünf andere Kerle ermordet hat, wird dir dein hübsches Gesicht in Stücke reißen.«
Gayle lachte. »Ich gehe nicht in den Knast. Sobald Bac-Dal
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