Das Erwachen
Gerechtigkeit Genüge getan werden. Insgesamt wurden neunzehn Menschen gehängt, und der alte Giles Corey wurde erdrückt. Vielleicht war in diesem Fall der Gerechtigkeit wirklich Genüge getan worden, dachte Finn grimmig, denn zuvor hatte Corey vor Gericht gegen seine eigene Frau ausgesagt.
Jahre später widerrief eines der Mädchen, und ihr Widerruf wurde von einem Pfarrer in der Kirche verlesen. Der Wahn war vorbei. In den Kolonien hatte es schon früher Prozesse gegen Hexen gegeben, und auch später gab es noch einige. Die Hysterie aber, die diesen kleinen Teil von Massachusetts gepackt hatte, war vorüber.
Das Licht ging an. Finn merkte, dass er während der ganzen Präsentation die Hand seiner Frau gedrückt hatte.
Sie grinste ihn an. »Gut gemacht, hm? Und traurig, sehr traurig.«
»Echt traurig«, sagte er leise.
Auf dem Weg nach draußen kam man noch durch den Museumsladen. Sie blieben stehen und sahen sich Bücher, T-Shirts und andere Andenken an. Während Finn überlegte, welches Buch ihm den besten Überblick über die Gegend liefern würde, trat ein Mann auf sie zu.
»Megan?«
Sie drehte sich um und runzelte die Stirn. Offenbar erkannte sie den Mann nicht, der sie zögernd mit ihrem Namen angesprochen hatte.
Er sah aus wie Ende zwanzig und war recht ordentlich gekleidet – maßgeschneiderter Anzug und darüber eine Wildlederjacke. Sein hellblondes Haar war etwas kürzer als das von Finn und sah aus, als würde er oft gedankenverloren hindurchfahren. Gut geschnittenes Gesicht, dunkelbraune Augen, mittlere Größe.
»Mike?«, fragte Megan zögernd.
Der Mann lächelte. Grübchen traten in seine Wangen und milderten seinen strengen Gesichtsausdruck.
»Ja, ich bin’s.« Er fasste ihre Hände und küsste sie auf die Wangen.
»Wie schön, dich zu sehen!«, rief Megan. »Was machst du denn hier? Na, offenkundig lebst du noch in der Gegend.«
»In den heimatlichen Jagdgründen verwurzelt, fürchte ich«, erwiderte er etwas reumütig. »Aber du – dich habe ich ja schon seit Jahren nicht mehr gesehen. Bist du etwa wieder nach Hause gezogen?«
»Nein. Ich lebe mittlerweile in New Orleans.« Sie drehte sich um und sah auf Finn. »Darf ich dir einen alten Freund vorstellen – Mike Smith. Mike, das ist mein Mann Finn Douglas. Wir treten in der Halloween-Woche im neuen Hotel auf.«
»Dann machst du also noch immer Musik!«, meinte Mike Smith und lenkte zögernd seinen – wie Finn vorkam – viel zu bewundernden Blick von Megan auf Finn. »Hallo, Finn. Schön, dich kennenzulernen. Und Glückwunsch – du hast das Mädchen meiner Träume geheiratet.«
»Danke«, meinte Finn und schüttelte Mike Smith die Hand. »Ich freue mich auch, dich zu treffen.« Stimmte das? Irritiert stellte er fest, dass sich Eifersucht in ihm regte.
»Und was treibst du momentan so?«, fragte Megan.
»Ich arbeite in dem neuen Museum.« Er warf noch einmal einen Blick auf Finn. »Echt gut, das neue Museum. Kein Hokuspokus. Aber das hier ist auch nicht schlecht, die Fakten kommen hier wirklich gut rüber. Das kann man nicht von allen sogenannten Museen sagen, die es hier mittlerweile gibt. Meines liegt in der Nähe der Werft, wir beschäftigen uns mit der Gründung von Salem, der puritanischen Tradition und wie dieser ganze Wahn überhaupt entstehen konnte. Außerdem haben wir auch eine große Ausstellung über die frühe Seefahrt. Kommt vorbei und seht es euch an.«
»Das machen wir auf alle Fälle«, meinte Megan.
»Heute sind wir allerdings schon ziemlich ausgebucht«, erinnerte Finn seine Frau.
Mike Smith winkte beschwichtigend ab. »Ich bin die ganze Woche dort. Wenn ihr reinschaut, bekommt ihr von mir eine Sonderführung hinter den Kulissen. Ihr braucht nur an der Kasse nach mir zu fragen.«
»Danke«, meinte Megan, und Finn nickte zum Zeichen, dass auch er die Einladung vernommen hatte.
»Ich habe nur kurz vorbeigeschaut, um mir ein neues Buch zu besorgen, das sie hier haben und wir nicht«, erklärte Mike und verzog das Gesicht. »Es freut mich wirklich sehr, dich zu sehen, Megan. Und es war natürlich auch nett, dich kennenzulernen, Finn. Noch mal meine Glückwünsche, zu deiner Hochzeit und auch zu deiner Musik.«
»Danke«, murmelte Finn.
Mike Smith winkte und ging.
»Ein alter Verehrer?«, fragte Finn.
Megan schüttelte den Kopf und lächelte verschmitzt. »Viel zu strebsam für mich, damals zumindest. Ich wollte ein wildes Mädchen sein. Natürlich war ich nicht besonders wild, aber in meinen Augen
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