Das Erwachen
und lächelte tiefgründig. »Wie war es, Finn?«
»Großartig, wirklich großartig«, erwiderte Finn. »Und danke, vielen Dank. Wir sehen ja, wie beschäftigt ihr seid, deshalb wollen wir euch jetzt nicht länger im Weg stehen. Kommt doch heute Abend zu unserer Vorstellung, dann können wir in den Pausen ein bisschen plaudern. Meg, bist du so weit? Ich bin am Verhungern. Sich aus der Hand lesen zu lassen kann ganz schön anstrengend sein.«
»Absolut. Morwenna, danke, wir sehen uns dann später«, meinte Megan. Sie wirkte erleichtert und bedachte Finn mit einem dankbaren Blick.
Na toll. Immerhin hatte er die Anerkennung seiner Frau errungen – dafür, dass er sich hatte erzählen lassen, er sei böse und würde ihr wehtun.
Sie umbringen …
Lieber würde er sterben. Es war alles Humbug, fauler Zauber.
Er nahm Megans Hand, tippte sich zum Abschied an die Stirn und bahnte einen Weg zum Ausgang.
Trotz der Wärme von Megans Hand kam er sich vor, als würde ihn ein eisiges Messer berühren. Und er wusste, dass die Handleserin ihn beobachtete. Den ganzen Weg durch den Laden – und weiter.
3
Finn ließ die Hand seiner Frau nicht los. Er pfiff. – »Stimmt etwas nicht?«, fragte sie.
Er sah sie an, als würde ihn diese Frage überraschen. »Warum fragst du?«
Sie schüttelte den Kopf. »Du wirkst zu munter.«
»Überhaupt nicht.« Er konnte so wundervoll lächeln wie kein anderer. Sein Lächeln war umwerfend.
»Hat sie dir etwas Schlimmes vorhergesagt?«
»Megan, du weißt doch, dass ich an diesen Quatsch nicht glaube.«
»Na ja, die meisten Leute glauben nicht alles. Sie sehen es eher als Spaß.« – »Ich hatte viel Spaß«, meinte Finn.
Er lief ziemlich schnell. Er war groß und hatte lange Beine. Obwohl auch sie nicht klein war, hatte sie Mühe, mit ihm Schritt zu halten.
»Haben wir es eilig?«
»Wie bitte?«
»Du rennst ja fast.«
»Stimmt doch gar nicht … Na ja, wir sind nicht sehr lange hier, und es gibt noch eine Menge zu sehen, oder?«
»Wir müssen ja nicht alles anschauen«, erwiderte sie.
Er blieb stumm. Sie hatte den Eindruck, dass er möglichst viel sehen wollte, weil er nicht vorhatte, je wieder hierherzukommen.
»Was gibt’s denn im Piratenmuseum?«
»Das ist recht unterhaltsam. Sie haben ein paar interessante Objekte aus der großen Zeit der Seefahrt. Es ist nicht sehr groß, aber ganz witzig.«
»Dann gehen wir rein.«
Die Besichtigung des Piratenmuseums dauerte etwa zwanzig Minuten, und es war tatsächlich ganz witzig. Eine mechanische Gestalt sprang hinter einem Fass hervor und entlockte Megan einen kleinen Schrei, was die anwesenden Kinder köstlich amüsierte. Megan hielt sich an Finn fest und lachte den ganzen weiteren Weg. Sie warfen noch einen Blick in den Museumsladen, dann traten sie wieder nach draußen.
Es war erst kurz nach zwölf, doch der Himmel verdüsterte sich jäh in einer Farbe, die an den bevorstehenden Winter denken ließ.
»Sollen wir noch in dem neuen Museum vorbeischauen, das Mike leitet?«, fragte Megan.
Er zögerte. »Heben wir uns das lieber für morgen auf.«
»Na gut.«
»Hast du schon Hunger?«, fragte Finn.
»Allmählich«, erwiderte sie entgegenkommend. Nach dem Piratenmuseum war er wieder so wie immer. Er hielt ihre Hand nicht mehr fest, sondern hatte den Arm um ihre Schulter gelegt.
»Willst du noch die Gedenkstätte und den alten Friedhof besichtigen? Und dann zum Mittagessen runter zum Hafen gehen?«, schlug sie vor.
»Klar, es geht doch nichts über einen Friedhof an einem dunklen Herbstnachmittag.«
»Hey, ich liebe alte Friedhöfe, das weißt du doch. Auf manchen Grabsteinen stehen richtig tolle Sprüche.«
»Stimmt. Dann also auf zum Friedhof.«
Sie verweilten kurz an der Gedenkstätte, die an die Opfer des Hexenwahns von 1692 gemahnte. Auf dem Weg durch die kleine Anlage lasen sie die Namen der Menschen, die als Hexen gehängt worden waren, und zum Schluss fanden sie auch noch einen Stein, der an Giles Corey erinnerte, den alten Mann, der unter schweren Steinen erdrückt worden war. Die 1992, also dreihundert Jahre nach den düsteren Ereignissen eingeweihte Gedenkstätte war ein friedlicher Ort. Bäume beschatteten die Steine, die gleich neben dem alten Friedhof ihren Platz gefunden hatten.
Danach gingen sie in den Friedhof hinein. So eine alte Begräbnisstätte umgibt immer etwas Gespenstisches. Die Äste der fast völlig entlaubten Bäume wirkten wie knöcherne Finger. Der Himmel war grau und die Luft, die den Besucher
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