Das Erwachen
umfing, kühl. Es war ein düsterer Tag.
Faszinierend. Megan war begeistert.
Finn schien wieder gedankenverloren, obwohl er redete, spaßte und nicht von ihrer Seite wich und sie so liebevoll berührte wie immer. Doch er wirkte geistesabwesend, es schien ihn Mühe zu kosten, sich normal zu verhalten, ihre Hand zu umschließen, den Arm um ihre Schulter zu legen.
»Es ist wirklich ein fantastischer alter Fleck«, sagte sie leise.
»Ganz bestimmt«, pflichtete er ihr bei.
»Komm mit, ich zeige dir die Highlights«, lockte sie. Sie kannte den Friedhof so gut, dass sie auch ohne einen Blick auf den Plan zu werfen den Stein für einen Pilgervater, der auf der Mayflower hierhergesegelt war, und auch das Grab von Richter Hathorne fand. Sie erklärte Finn noch einmal, dass der Dichter Nathaniel Hawthorne seinen Nachnamen geändert hatte, um sich von seinem Vorfahren zu distanzieren. Daneben gab es eine Reihe anderer faszinierender Gräber, zum Beispiel das eines Mannes, der mehrere Ehefrauen gehabt hatte, die alle in der Nähe bestattet waren; oder traurige Grabsteine mit Skeletten und anderem altertümlichem Trauerdekor, das Gräber von kleinen Kindern schmückte. Sie lasen sich Sprüche vor, und vor einem merkwürdig gemusterten Stein legte sich Megan hin, kicherte und warf eine Handvoll Herbstlaub in die Luft. Finn wirkte beklommen, mit gerunzelter Stirn trat er zu ihr und zog sie hoch.
»Megan, du solltest dich nicht so hinlegen.«
»Warum nicht?«, fragte sie überrascht und schüttelte sich lachend das Laub aus den Haaren. »Was hast du denn? Glaubst du, ich werde in das Grab hinabgezerrt?«
Er schüttelte den Kopf. Doch genau das entsprach seinem Gefühl, auch wenn er den Gedanken nicht zu Ende gedacht hatte. Jedenfalls war ihm nicht danach, zu lachen oder ihr zu versichern, dass er an etwas derart Lächerliches selbstverständlich nicht gedacht hatte.
»Am Himmel braut sich etwas zusammen«, meinte er. »Schneit es hier denn so früh?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Manchmal schon. Ich glaube es aber nicht. Hältst du die Dunkelheit nicht aus?«, fragte sie spöttisch.
Er bedachte sie mit einem merkwürdigen Blick. »Soll ich etwa Angst bekommen? Das hier ist doch geweihte Erde, oder? Hier liegen bestimmt keine Selbstmörder oder Kriminelle, die für ihre Verbrechen gehängt worden sind, darauf würde ich wetten.«
Sie neigte den Kopf und musterte ihn. »Ich weiß jedenfalls von keinem.«
Er nickte wieder etwas geistesabwesend und fuhr sich durch sein dunkles Haar. »Sollen wir denn noch in eines der Museen an der Straße?«
»Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich bin inzwischen am Verhungern.«
»Ein Mittagessen – hm, klingt gut.«
Er hatte wieder den Arm um sie gelegt, als sie aus dem Friedhof hinunter Richtung Wasser schlenderten. Morwenna hatte Megan ein neues Restaurant empfohlen, das erst kürzlich aufgemacht hatte. Megan verschwieg Finn, dass ihre Cousine es vorgeschlagen hatte.
Erleichtert stellte sie fest, dass die Dekoration des Restaurants eher die maritime Geschichte Salems betonte. Es gab hübsche, glänzende Holzvertäfelungen, Schiffsglocken und Fischtrophäen. Die beigefarbenen Vorhänge waren mit blauen Schalentieren gemustert. Es war hell genug, um die Speisekarte zu lesen, und sie hatten einen Tisch am Fenster bekommen, von dem man direkt aufs Meer sehen konnte.
»So weit sehr schön«, meinte Finn. Er beugte sich zu ihr. »Ob das Essen auch so gut ist?«
»Muschelsuppe und Kabeljau sind bestimmt empfehlenswert«, meinte sie.
»Ich nehme den Kabeljau.«
»Paniert und in Butter gebraten, köstlich, das wird dir bestimmt schmecken. Nirgends auf der Welt schmeckt Kabeljau so gut wie in Salem.«
»Auch in New Orleans gibt es hervorragende Meeresfrüchte.«
»Aber keinen Kabeljau, wie man ihn in Neuengland bekommt.«
Er klappte die Speisekarte zu. »Dann also Kabeljau.«
Die Kellnerin nahm ihre Bestellungen auf. Megan sah, dass Finns Blick auf das Pentagramm der jungen Frau fiel.
Er merkte, dass ihn Megan beobachtete, und lächelte.
»Es tut dir leid, dieses Engagement angenommen zu haben, stimmt’s?«
Er schüttelte den Kopf.
»Ich wünschte, ich könnte dir glauben.«
Er schüttelte abermals den Kopf und ergriff ihre Hand. »Allen Ernstes – ich finde Salem toll. Das erste Museum war ausgezeichnet, es machte die Geschichte lebendig und die unglaubliche Traurigkeit dessen, was damals passiert ist. Auch die Gedenkstätte ist sehr gelungen. Es ist toll
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