Das Erwachen
Tochter ausgaben. Deshalb hatten sie beschlossen, nur ein sehr kleines Fest zu veranstalten und nur die engsten Verwandten und Freunde einzuladen.
Aber Martha hatte all diese Fotos. Megan ging davon aus, dass ihre Mutter Martha Abzüge geschickt hatte.
Sie hatten in einer der ältesten Kirchen des Orts geheiratet. Finn hatte unglaublich elegant ausgesehen in seinem Frack, sie hatte sich für ein perlenfarbenes Hochzeitskleid im mittelalterlichen Stil entschieden. Eine gute Freundin, die auf der Bourbon Street eine Boutique betrieb und selbst entworfene Kleider verkaufte, hatte das Kleid nach einem Muster aus einer Zeitschrift für sie genäht.
Es gab Fotos von ihnen beiden vor dem Altar, wie sie in die Kutsche einstiegen, wie sie auf dem Empfang tanzten, wie sie die Torte anschnitten. Als Megan diese Bilder betrachtete, regte sich ein dumpfer Schmerz in ihrem Herzen. Am besten gefiel ihr das Foto, auf dem Finn vor der Kutsche zu sehen war, wie er ihr die Hand reichte, um ihr beim Aussteigen zu helfen. Darin kam so viel von dem zum Ausdruck, was sie so an ihm liebte. Nicht nur, wie er in seinem Frack aussah, wie die nachtschwarze Farbe und das weiße, mittelalterliche Hemd sein dunkles Haar noch dunkler wirken ließen, wie er so unglaublich groß, geschmeidig und unbeugsam aussah, sondern auch, wie er sie anblickte. Am liebsten hätte sie das Bild so zärtlich gestreichelt, wie sie es oft mit seinem Gesicht tat. Sie liebte alles daran – seine tief liegenden Augen, den Schwung seiner Brauen, sein Kinn, selbst wenn er es stur vorreckte, wenn er entschlossen war oder zornig. Noch nie war sie von jemandem so fasziniert gewesen wie von Finn, und das beim ersten Blick. Sobald sie ihn gesehen hatte, hatte sie es gewusst.
»Ihr zwei könnt nicht alles wegwerfen«, sagte Martha sanft.
»Ich werfe nichts weg.«
»Aber …«
»Ich habe Angst vor ihm«, erklärte Megan ganz offen.
Martha zögerte lange. »Na gut, er war gewalttätig. Das war doch der Grund, warum du ihn das erste Mal verlassen hast und zu deinen Eltern nach Maine gegangen bist.«
»Nein. Aber er ist sehr seltsam, seit … seit wir hier sind.«
Martha seufzte. »Megan, ich weiß, ich wiederhole mich, aber ganz ehrlich: Ihr seid intelligente junge Leute. Du hörst dir einfach zu viel Unsinn an.«
»Das kann schon sein.« Megan strich gedankenverloren die Seite glatt. »Er hat vorgeschlagen, dass wir weggehen. Vielleicht hätte ich einwilligen sollen. Es ist nur so, dass … na ja, ich glaube, er liebt mich. Aber er liebt auch seine Musik. Und wenn wir diesen Job hingeschmissen hätten … Du weißt ja, wie es so geht. Ich meine – sieh dir nur an, wie ein albernes kleines Familiengerücht die Runde macht. Du und Morwenna, ihr wisst offenbar genau so viel von meinem Leben wie ich selbst, ohne dass ihr je darüber mit mir gesprochen habt.«
»Natürlich plaudern Verwandte, Liebes. Und natürlich machen wir uns Sorgen um dich. Du liegst uns allen am Herzen, und wir sind so stolz auf dich! Aber es stimmt schon, Neuigkeiten machen ihre Runde. Als deine Mutter mir diese Fotos schickte, habe ich sie allen gezeigt, die mir über den Weg gelaufen sind. Ihr zwei seid ein unglaublich schönes Paar.«
Megan lachte reumütig. »Hast du zufällig Mr Fallon von Huntington House erzählt, dass Finn und ich uns gestritten haben und ein Baguette mit im Spiel war?«
»Ach du meine Güte, nein! Solche Geschichten mache ich doch nicht öffentlich!« Martha wirkte etwas verstimmt. »Wenn derlei herumgetragen worden ist, dann … na ja, egal.«
»Wolltest du sagen, dass Morwenna es verbreitet hat?«
Martha zuckte mit den Schultern. »Ich wollte gar nichts sagen«, meinte sie, auch wenn das ganz offenkundig nicht der Wahrheit entsprach. »Aber du hast recht – ihr müsst bleiben und euer Engagement durchstehen. Wenn du deinen Mann heute Abend siehst, solltest du ihm deutlich zu verstehen geben, dass du ihn liebst und ihn nicht verlassen willst, sondern dass du es nur momentan für das Beste hältst, eine gewisse Distanz zu wahren. Aber das hat nichts weiter zu bedeuten. Ihr erledigt eure Arbeit in dem Hotel, und dann fahrt ihr heim und kümmert euch um eine Eheberatung. Denn ihr müsst die Ursache eurer Probleme herausfinden, dann könnt ihr sie lösen und den Rest eures Lebens zusammenbleiben.«
Megan lächelte.
»Klingt wie ein guter Plan«, meinte sie leise. »Es gibt nur einen Haken.«
»Welchen denn?«
»Was ist, wenn er so wütend ist, dass ihm die Musik oder
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