Das Erwachen
dass ich dir helfe?«
»Nein«, sagte er schroff und wandte sich wieder mit steifem Rücken von ihr ab. Er konnte nichts erklären, und er verstand seine eigenen Träume nicht.
Schließlich drehte er sich noch einmal zu ihr um. »Sieh mal, Sara, ich will nicht unhöflich oder feindselig sein.«
»Das glaube ich dir gern. Aber hör mir zu, Finn. Bitte! Als ich dir in Morwennas Laden aus der Hand gelesen habe, habe ich dir nichts vorgespielt. Du bist umgeben von einer schrecklichen, furchterregenden Aura des Bösen.«
»Ich bin kein böser Mensch, Sara.«
»Das mag schon sein. Aber vielleicht gibt es ja doch irgendeine Macht, die dich benutzt.«
»Das kann ich nicht glauben. Ich will nicht glauben, dass ich von irgendeinem Dämon benutzt werde.«
Sara stemmte die Hände in die Hüften. »Nicht einmal, wenn es sich um einen Dämon handelt, der Hunderte – was sage ich, Tausende Jahre Zeit hatte, die menschliche Psyche, den menschlichen Geist und die Kraft der Suggestion kennenzulernen?«
»Es ist mir egal, was mir der Teufel – oder Gott – zu tun befiehlt. Ich werde Megan nie wehtun.«
»Ich weiß, dass du das nicht willst.«
»Okay, Sara, welche Art von Hilfe möchtest du mir anbieten?«
»Wissen.«
»Wissen? Mehr nicht? Keine Zaubersprüche, keine Beschwörungen?«
»Du solltest dir den Segen der Kirche holen und dich mit ein paar Zaubersprüchen vertraut machen, das kann nicht schaden. Aber im Augenblick … Morwenna und Joseph hätten gerne, dass du Eddie kennenlernst.«
Finn zögerte. Er neigte den Kopf zur Seite und musterte Sara eine Zeit lang eindringlich. Morwenna und Joseph … Wollten sie ihm wirklich helfen oder den Deckel zu seinem Sarg zunageln?
»Was für ein Wissen?«
»Komm einfach mit. Hier in diesen Läden gibt es zwar auch einen Haufen Bücher, aber das ist alles nur langweiliges Zeug. Eddie hat jahrhundertealte Bücher, wahre Sammlerstücke.«
»Dafür wird er sicher eine Stange Geld wollen.«
»Für manche seiner historischen Bücher bekommt er tatsächlich ein kleines Vermögen. Aber viele würde er nie verkaufen.«
»Also gut, gehen wir«, meinte Finn.
Morwenna hielt sich im Keller auf, an einem Ort, zu dem nur die Zugang hatten, die ihr am nächsten standen und ihren Glauben teilten.
Der Altar stand an der hinteren Wand. In den Regalen befanden sich Behälter mit Kräutern, die denen, die sie in ihrem Laden verkaufte, weit überlegen waren. Ihr wundervoll gearbeiteter Zauberstab mit dem Kristallgriff lag neben dem Altar.
In ihre kostbarste Robe gekleidet, trat sie vor den Altar und sprach leise die aus ihrem innersten Herzen kommenden Worte, begleitet von den dazugehörenden Bewegungen. Dann trat sie an die uralte Feuerstelle. Am Nachmittag hatte sie dort Esche, das vorgeschriebene Holz, verbrannt. Der Trank im Kessel blubberte. Ihre Lippen bewegten sich, während sie die letzten Zutaten hineinwarf.
Sie war so konzentriert, dass sie Joseph anfangs gar nicht bemerkte. Er war wohl vor ihr heruntergekommen und durch die Geheimtür geschlüpft. Offenbar hatte er auf sie gewartet.
»Bist du dir dessen sicher, was du da tust?«, fragte er kurz angebunden.
»Ich bin mir sicher, dass ich lesen und Anweisungen befolgen kann«, konterte sie grimmig. »Und du solltest dich nicht mehr hier hereinschleichen, du hättest mich mitten in einem Zauber unterbrechen können.«
Er schickte sich an zu gehen, doch dann blieb er wieder stehen. Ohne sich zu ihr umzudrehen, meinte er: »Du darfst keine Fehler machen. Keinen einzigen! Wenn wir richtigliegen …«
»Wir liegen richtig. Und wir werden keine Fehler machen.«
»Es nimmt seinen Lauf. Es hat bereits angefangen.«
Er wollte die Tür hinter sich zuschieben.
»Joseph!«, rief sie ihm nach.
Er blieb noch einmal stehen.
»Sei gesegnet«, sagte sie.
Er neigte den Kopf. »Sei gesegnet.«
* * *
Eddies Buchhandlung war wirklich nur eine Buchhandlung – keine Räucherstäbchenhalter, keine Kräuter, T-Shirts oder Umhänge. Der Raum war klein, die Gänge zwischen den Regalen waren so schmal, dass kaum zwei Personen aneinander vorbeigehen konnten.
Sara führte Finn an einer Abteilung mit neuen Büchern, einer antiquarischen und einer mit Sammlerstücken vorbei und rief dem jungen Mann an der Kasse zu, dass sie zu Eddie wolle.
Der große, schlaksige Junge nickte mit seinem kahl geschorenen Kopf und winkte sie weiter.
Perlenvorhänge schienen in Salem dieses Jahr der letzte Schrei zu sein. Sie durchquerten einen auf ihrem Weg in
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