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Das Erwachen

Das Erwachen

Titel: Das Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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nicht ganz so schlank, aber ungebunden und unabhängig. Sarah heute mit einem blauen Auge, wie es bisher schöner in einem Film wohl noch nicht zu sehen war.
    »So etwas kommt meiner Einschätzung nach nicht aus Liebe oder von der Lust.« Carmen deutete auf Sarahs Auge. »In Trier gibt es zwei Stadtteile, die sind für solche Sachen bekannt. Da laufen Frauen öfter so herum.«
    Sarah gab sich zwei Sekunden Bedenkzeit. »Du hast Recht. So etwas kommt, wenn man vergewaltigt wird.«
    Carmen erschrak. »Warst du schon bei der Polizei?«
    Sarah schüttelte den Kopf. »Ich wollte zuerst mit dir sprechen.«
    »Tatsächlich?«
    »Spätestens am Montag hätte ich dich angerufen.«
    »Hier bist du ja endlich, Schatz. Ich habe dich schon überall gesucht.« Henry trat zu ihnen, nahm Sarah in den Arm und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange. Für Sarah kam das so überraschend, sie konnte nicht mehr ausweichen.
    »Es geht mich ja nichts an, Herr von Rönstedt«, begann Carmen. »Aber wenn ich mir ihr Gesicht anschaue, dann könnte man meinen, Ihre Frau hätte sie vergewaltigt.« Carmens Lachen war aufreizend, Henry lachte mit. Aber seine Nasenflügel bebten, und sein Lachen klang blechern. Sarah konnte ihn genau einschätzen. Henry war kurz vor dem Explodieren. Aber hier in der Öffentlichkeit würde er sich noch zurückhalten. Wahrscheinlich würde sie es wieder zu Hause ausbaden müssen.
    Henry beuge sich zu Carmen und sprach mit leiser Stimme. »Bitte nicht weitererzählen. Ja, meine Frau hat mich tatsächlich vergewaltigt. Aber ich habe es gerne geschehen lassen. Weil sie so nett ist, Frau …?«
    »Dr. Carmen Sigallas«, stellte sich die Ärztin mit Titel vor, was ihr ansonsten verhasst war. »Ich bin Neurologin an einem Krankenhaus.«
    Henry versteifte sich, atmete tief durch und fühlte sich ertappt. Nun gab es unzweifelhaft eine Mitwisserin. Er fragte sich, was Sarah wohl alles dieser Ärztin erzählt haben könnte.
    »Ich würde das Auge im Krankenhaus behandeln lassen, Sarah«, riet Carmen. »Einige Äderchen sind geplatzt.« Und zu Henry gewandt: »Sind Sie stolz auf sich, Herr von Rönstedt? Eine Frau zu verprügeln und sie zu …, ist schon eine tolle Leistung. Bravo!« Carmen klatschte provozierend in die Hände, Sarah verbiss sich ein Lachen. Die Umstehenden waren irritiert und neugierig.
    »Komm, unsere Gäste warten.« Henry zog Sarah einfach mit sich und schleifte sie halb in den Saal.
    Einen Tag später, es war ein Sonntag, stand Sarah vormittags in Kanzem, einer Ortschaft, wenige Kilometer von Saarburg entfernt, vor einem gepflegten Einfamilienhaus und suchte die Klingel. Weil sie keine fand, schlenderte sie die Straße entlang und umrundete das Grundstück. Vor der Garage parkte ein Auto.
    Wieder vor dem Eingang stehend, hörte sie Carmens Stimme aus der Sprechanlage. »Den runden Knopf mitten auf dem Pfosten rechts neben dir. Ich hatte noch keine Zeit, ein Namensschild anzubringen.«
    Wenig später saßen sich die beiden Frauen gegenüber.
    »Wie war die Nacht?« Carmen beobachtete über die Brille ihre Besucherin.
    »Warum fragst du?«
    Carmen zuckte mit der Schulter. »Ich bin zwar nicht so geschlagen worden wie du, aber ich könnte mir vorstellen, sie war nicht angenehm. Hat er dich wieder …«
    Sarah schüttelte den Kopf. »Nein, überhaupt nichts war. Er hat in seinem Arbeitszimmer geschlafen. Eine wundervolle Nacht.«
    »Das ist gut.« Carmen nickte mehr zu sich selbst. Unwillkürlich ballte sie eine Faust. »Das ist gut. Er denkt nach und weiß, es gibt in seinem Umfeld Menschen, die sich gewisse Fragen stellen. Ich gehe doch davon aus, dass du ihn anzeigst.«
    Sarah antwortete nicht.
    »Was muss denn noch alles passieren?«
    Auch jetzt antwortete Sarah nicht. Carmen stand auf und kam wenig später mit Kaffee zurück. »Nur wenn du willst. Rede nur, wenn du willst«, meinte sie, während sie die Tassen füllte.
    Nach zwei Minuten verließ Carmen den Raum. Es war ihr unerträglich, mitzubekommen, welchen inneren Kampf Sarah ausfocht. Sollte sie sich ihr gegenüber, der immer noch fremden Ärztin, öffnen oder nicht? Um Sarah stand es wesentlich schlimmer, als sie bisher gedacht hatte.
    Carmen zog einen Mantel an und sagte durch die halb geschlossene Tür: »Falls du mich suchst, ich bin im Garten unten an der Saar.«
    Eine halbe Stunde später hörte Carmen Schritte. Sarah trat zu ihr und setzte sich neben sie auf die Bank. Eine Weile schauten sie auf das sich kräuselnde Wasser des Flusses und auf

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