Das Erwachen
stiegen sie über das Tor und gingen zum Haus. Sie wussten, die von Rönstedts hatten Hunde, aber es kam ihnen keiner entgegengelaufen.
Nach wenigen Metern näherte sich statt dessen ein Auto, brach durch die Hecken, schleuderte und raste die Auffahrt hinunter auf sie zu. Die Beamten sprangen zur Seite, das Auto bremste vor dem Tor, wurde gewendet und schoss mit durchdrehenden Rädern die gleiche Strecke wieder zurück. Aber nicht auf der gepflasterten Zufahrt, sondern daneben auf dem weichen Boden, wo sich die Räder einwühlten und Erdbrocken hinter sich schleuderten. Im Auto saß Henry von Rönstedt. Das Fenster war heruntergelassen, er hatte einen Arm auf die Tür gelegt, die Musik übertönte das Motorengeräusch, dumpf hämmerten die Bässe. Und während Henry fuhr, trank er aus einer Flasche.
Als er nach wenigen Metern aus dem Gesichtsfeld der Beamten verschwunden war, ertönten auch wieder diese Fehlzündungen. Die Beamten jedoch kannten sich aus, griffen zu ihren Dienstpistolen und liefen geduckt weiter. Henry hatte abrupt vor der Garage gebremst, den Rückwärtsgang eingelegt, war ins Rosenbeet gefahren und kam nun nicht mehr frei. Mit einigen schnellen Schritten waren die Beamten neben Henry, rissen ihm den Revolver aus der Hand und zerrten ihn aus dem Auto. Henry war total betrunken und konnte sich nicht auf den Beinen halten. Erstaunt klotzte er die Beamten an und lallte unverständliches Zeug. »Ein von Rönstedt lässt sich so etwas nicht bieten«, konnten sie unter all dem Geplapper heraushören. Die Beamten achteten nicht darauf, packten ihn an den Oberarmen, stützten ihn beim Gehen und brachten ihn ins Haus. Einer ging wieder hinaus, stellte den Motor und die Scheinwerfer ab.
Henry ließ sich in einen Sessel fallen und stierte die Beamten an.
»Wer seid ihr?«, lallte er.
Die Polizisten stellten sich vor.
»Und was macht ihr hier?« Henry verteilte Speicheltröpfchen auf dem Tisch. »Hier auf meinem Anwesen?«
»Nachbarn haben sich beschwert über die Lärmbelästigung.«
Mit einer verächtlichen, wegwischenden Handbewegung antwortete Henry: »Ich habe keine Nachbarn.«
»Bei dem Lärm, den sie gemacht haben, hat in Saarburg jeder Nachbarn«, erklärte der kleinere Beamte. Aber Henry verstand nicht, wie er das gemeint hatte.
»Haben Sie einen Waffenschein, Herr von Rönstedt?«
Henry erhob sich schwankend und torkelte aus dem Wohnzimmer. Wenige Minuten später war dieser Punkt geklärt. Henry war im Besitz eines Waffenscheines.
Die Beamten, die seine private Situation kannten, gaben sich moderat und wollten ihn nicht provozieren. Sie wussten, das war bei von Rönstedt sehr leicht möglich. Deshalb belehrten sie ihn auch nicht – er hätte am anderen Tag sowieso nichts mehr davon gewusst – und gaben sich mit der Zusicherung zufrieden, dass er sich jetzt ruhig verhalten werde. Mit dem Auto konnte er sowieso nicht mehr fahren. Das musste aus dem Rosenbeet geschleppt werden.
Henry, der stupide nickte, immer wieder zu den Flaschen in der Bar schielte, versprach erneut, sich ruhig zu verhalten. »Ich bin ein braver Bürger.«
Einer der Beamten steckte Autoschlüssel und Revolver ein, ohne Henry zu fragen. »Der wird sich an nichts mehr erinnern«, sagte er zu seiner Rechtfertigung. »Außerdem stellt er heute Nacht damit auch keinen Unsinn mehr an.«
Aufregung um Henry gab es einen Tag später, als er nur mit einer Unterhose bekleidet in der Leuk badete – zum Schwimmen war der etwas aufgestaute Bach nicht tief genug – und sich in Richtung Wasserfall bewegte. Und der stürzte gut fünfzehn Meter in die Tiefe. Vor vielen Jahren hatte es einer versucht und den Sturz überlebt. Aber da hatte die Leuk auch mehr Wasser, das die tückischen Felsen umspülte.
Inzwischen hatten sich viele Passanten versammelt, aber keiner griff ein. Im Gegenteil, einige Jugendliche forderten ihn auf, doch endlich herunterzuspringen. Schließlich sei das kinderleicht. Oder habe er etwa keinen Mut? Unter den Schaulustigen waren auch Touristen, die eifrig Fotos schossen. In Saarburg bekam man schon was geboten für sein Geld.
Gerade noch rechtzeitig konnte die Feuerwehr alarmiert werden, die aus der Aktion eine Übung machte, ein Netz spannte und Henry rechtzeitig vor dem Sturz in die Tiefe abfangen konnte. Henry hatte zum Erstaunen aller nichts getrunken.
Ludevik wartete seit Tagen. Ende der Woche war es so weit, an einem Samstagmorgen. Er wurde darüber informiert, dass Henry in der Stadt auf
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