Das Erwachen
jeder, der ihm Gutes tun wollte, bald aufgab.
Ein oder zwei Mal flößte ihm jemand Medizin ein, doch er spie sie wieder aus. Andere versuchten es mit beruhigendem Zureden, doch auch das blieb ohne Erfolg.
Marschall Brunte, der eigentliche Befehlshaber von Brum und ein zäher, stämmiger Hydden, der es gewohnt war, seinen Willen durchzusetzen, scheiterte kläglich in seinen Bemühungen, aus Stort etwasBrauchbares herauszubekommen. Im Verlauf des zweiten Tages wurde der junge Hydden zudem immer ungebärdiger und gleichzeitig immer schwächer. »Unterrichten Sie mich, wenn er dem Tod nahe ist«, sagte Brunte, »oder wenn er wieder zu Verstand kommt. Einstweilen müssen wir mit dem Schlimmsten rechnen und Vorbereitungen für ein militärisches Begräbnis oder eine Zeremonie treffen, die ihm posthume Ehren zuteilwerden lässt ...«
Stort mochte ganz und gar nicht wie ein soldatischer Held aussehen, doch war es seiner Geistesgegenwart zu verdanken, dass Lord Festoon bei Bruntes Aufstand gegen die Fyrd mit dem Leben davongekommen war. Ohne ihn hätten die aufgebrachten Bürger von Brum dem Marschall höchstwahrscheinlich die Unterstützung versagt.
Lord Festoon, der Hochaltermann der Stadt, trug noch seine Amtskette von einem Empfang, den er augenblicklich abgebrochen hatte, als ihm das neue Gerücht zu Ohren gekommen war, Stort liege im Sterben. Er war ein Bewunderer und Freund Bedwyn Storts, gleichermaßen gütig wie verlässlich. Sein frühzeitig ergrautes Haar verlieh ihm ein würdevolles Aussehen.
»Wenn er sich doch nur von uns untersuchen und anständig pflegen ließe«, sagte er bekümmert. »Er hat mir einst das Leben gerettet und dabei sein eigenes aufs Spiel gesetzt, daher kann ich nicht verstehen, warum er sich jetzt nicht von uns helfen lassen will.«
Brif konnte ihm darin nur beipflichten.
»Ist es nicht sonderbar, dass er ohne unsere Hilfe zu erstarken scheint, sich aber nicht einmal von uns waschen und füttern lassen will? Wäre es nicht wider alle Vernunft, würde ich behaupten, er unterliegt einem fremden Einfluss.«
Schließlich war es Ma’Shuqa, die Tochter des alten Mallarchi, seines Zeichens Besitzer und Gastwirt des Muggy Duck , des besten und geschichtsträchtigsten Gasthauses von Old Brum, die einen Ausweg aus der völlig verfahrenen Lage fand.
Ihre Zuneigung zu Stort, der in seiner Jugend bei ihr gewohnt hatte, ging tief. Sie bestellte eine ihr gut bekannte barmherzige Schwester in seine Wohnung und sagte Brif, Stort müsse sofort nach Hause gebracht werden.
»Die barmherzige Schwester Cluckett ist streng, aber gerecht«, sagte sie. »Sie wird ihn wieder auf die Beine bringen.«
Diese Worte, gesprochen, als wäre Stort gar nicht im Zimmer, brachten ihn offenbar wieder etwas zur Besinnung.
Er öffnete die Augen, setzte sich auf und sagte: »Ich mag barmherzige Schwestern nicht. Sie machen mir Angst, und überhaupt geht es mir schon viel besser.«
»Das mag ja sein«, erwiderte Ma’ Shuqa, »aber ich kann sie jetzt nicht mehr abbestellen. Wir bringen dich nach Hause, und Cluckett wird dafür sorgen, dass du im Nu wieder quietschfidel bist.«
Eine halbe Stunde später wurde Stort im Schein von Dutzend Laternen durch die schmalen Gassen von Digbeth getragen. Als sie vor seinem Haus eintrafen, hatte er sich so weit erholt, dass er mit etwas Unterstützung stehen und in seinen Taschen nach dem Schlüssel kramen konnte.
Er öffnete sogar eigenhändig die Tür, so bei Kräften war er schon wieder. Jemand machte Feuer, ein zweiter holte Wasser, ein dritter Zuckerwerk und andere Leckereien, die geeignet schienen, abgestumpfte Gaumen zu kitzeln. Man entzündete Kerzen und richtete sein verstaubtes, unordentliches, unaufgeräumtes Zuhause so gemütlich her wie nur möglich. Dann wurden alle fortgeschickt bis auf seine engsten Freunde Brif, Mister Pike und Barklice, den Forstmeister der Stadt, der in der Vergangenheit häufig mit Stort gereist war.
»Versprechen Sie mir«, flehte Stort, »dass Sie mich nicht dieser barmherzigen Schwester ausliefern, wenn sie kommt. Sehen Sie doch, mir geht es wieder gut! Sie wird mein Tod sein.«
Kaum hatten sie ihm das Versprechen gegeben, da ertönte von der Tür auch schon lautes Klopfen, jene Art von energischem, gebieterischem Pochen , das gewöhnlich Besucher erzeugen, die erwarten, unverzüglich eingelassen zu werden.
Brif öffnete die Tür.
Ein kurzer Blick auf die Frau, die dort stand, eine große Ledertasche zu ihren Füßen und Ungeduld in den
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