Das Erwachen
Barklice und Pike wie mit einer Stimme ein.
»Ihr ›Aber‹ ist berechtigt!«, sagte Brif. »Stort, bitte erklären Sie es ihnen.«
»Nun ... wenn ã Faroün recht hat, dann müssen wir uns schleunigst auf die Suche nach den anderen Steinen machen, zuerst nach dem des Sommers. Die Schildmaid wird sie von uns fordern, und Mutter Erde wird sich bemühen, sie zu Tage zu bringen, wo auch immer sie sich befinden mögen ... Das Erdbeben, das uns heimgesucht hat, ist nur der Anfang, auf den eine Zeit schwerer Prüfungen folgen wird, wie sie noch kein Sterblicher erlebt hat.«
Brif blickte sehr ernst. »Eine Zeit, die wir Sterblichen möglicherweise nicht überleben werden.«
Barklice, so sanftmütig wie nur je ein Hydden, blickte entsetzt. »Was sollen wir tun?«
»Nun, es liegt auf der Hand, dass Stort den Stein einstweilen behalten muss, denn er war dazu ausersehen, ihn zu finden. Aber nun genug geredet, meine Herren. Mister Pike und ich müssen Lord Festoon unterrichten.«
Alle fassten über den Tisch und legten die Hände aufeinander in dem stillen Einverständnis, das hier Gesprochene geheim zu halten.
»Ich gehe davon aus, dass Lord Festoon eine Sitzung des Geheimen Rates einberufen wird, damit über geeignete Maßnahmen gesprochen werden kann. Darum schlage ich vor, wir warten seine Entscheidung ab.«
»Einverstanden«, sagten Pike und Barklice.
»Stort, sind Sie ebenfalls einverstanden?«, fragte Brif.
»Einverstanden«, murmelte Stort, obwohl ihm nicht ganz wohl bei der Sache war. Was er von Anfang an befürchtet hatte, war nun eingetreten. Kaum war bekannt, dass er den Stein des Frühlings gefunden hatte, wollte alle Welt sogleich daran Anteil haben.
»Dann ist ja alles in Ordnung«, sagte Brif. »Ich hebe die Sitzung auf.«
Doch als sie gingen, hatte Stort das Gefühl, dass nichts in Ordnung war. Gar nichts.
14
DIE KAISERLICHE STADT
D ie Hauptstadt von Hyddenwelt bestand aus einem riesigen Komplex stillgelegter Schachtanlagen und Stollen unter der Menschenstadt Bochum in Westdeutschland.
Ihr Zentrum bildete eine große Fläche Brachland im Westen und Süden der Stadt. Die meisten Bewohner lebten auf Ebene 1. Das höfische Leben spielte sich überwiegend auf Ebene 2 ab, in der Großen Halle und ihrer Umgebung. Sie bildete das Prunkstück der Hyddenstadt Bochum, war groß und geräumig und verfügte über sonnige Fenster, die in der obersten Ebene eingelassen waren.
Die Halle lag inmitten einer menschlichen Müllhalde, auf der wilde Hunde umherstreunten und über der zänkische Aasvögel kreisten. Menschen verirrten sich nur noch selten dorthin. Die Halle war in die Tiefe gebaut worden, wobei man geschickt das alte Fundament einer Abwasserkläranlage genutzt hatte, das nun ihr Dach bildete und nur wenige Fuß aus dem Boden herausragte. Unter diesem mit Exkrementen von Vögeln und Ratten bedeckten und nach menschlichem Abfall stinkenden Dach hatten die Hydden gegraben, Quergänge zwischen alten Bergwerksstollen angelegt und eine Belüftungsanlage gebaut, die gute, frische Luft aus den Waldungen weit im Süden heranpumpte.
Kaum ein Hydden hätte, wenn Sonnenlicht in die Halle flutete, an die grausige Mülllandschaft oben gedacht. Und kein Mensch hätte sich vorstellen können, welch höfische Pracht sich darunter entfaltete.
In den unteren Ebenen Bochums befanden sich die Kanzleien der Verwaltung, die Kommandozentrale der Fyrd und die verschiedenen Einrichtungen, welche die Hauptstadt mit allem Lebensnotwendigen versorgten.
Ganz unten, auf Ebene 18, lag die geheime, gesicherte Schlafkammer des Kaisers, zu der niemand sonst Zutritt hatte.
Dort unten bewahrte er auch den Stein des Sommers auf und benutzte ihn, um seine Gesundheit zu kurieren, wenn es nötig wurde, wohl wissend, dass die Wechselfälle der Geschichte und seine Wurd ihn an einen Ort geführt hatten, an dem sein Geheimnis gut aufgehoben war.
Die Region war reich an Kohle und Eisenerz, und viele Generationen ihrer menschlichen Bewohner hatten die Erde ausgehöhlt wie Maden ein Stück Käse. Sie hatten ihre Oberfläche mit Abraum bedeckt, ihre Flüsse verseucht, ihre Wälder verschandelt und ihre natürlichen Entwässerungssysteme zerstört.
Wann immer die Kohle knapp wurde oder die Abbautechnik sich verbesserte, gruben die menschlichen Bergleute noch etwas tiefer, stießen zu neuen Flözen vor und hinterließen unter ihren Siedlungen ein Netz unterirdischer Ruinen. Am Ende des neunzehnten Jahrhunderts war diese Region, die nach einem
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