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Das Erwachen

Das Erwachen

Titel: Das Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Horwood
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wenn er nicht ganz schlau aus ihr wurde.
    »Lassen Sie sich nicht verwirren, lieber Sir, warten Sie einfach auf den Maimond heut Nacht ...«
    »Den Vollmond?«, fragte Stort.
    »Ja, so voll, wie’s voller nicht geht. Sein Licht ergießt sich auf das Zauberland und macht alles, was düster ist, klar, und alles, was klar ist, vergessen für den Moment. Sir, sperren Sie im Gehen die Ohren auf, Sie werden es hören. Lauschen Sie, mehr brauchen Sie nicht tun. Lauschen Sie und folgen Sie, dann gelangen Sie zum Paley’s Creek.«
    Alle verstummten und neigten die fröhlichen, pausbäckigen Gesichter, als lauschten sie dem Wind.
    Dann hörte Stort etwas oder bildete es sich zumindest ein: eine Musik von ganz besonderer Art, einen einzigartigen Gesang, verlockend, sirenengleich.
    »Kommt das vom Paley’s Creek?«
    »Das ist Paley’s Creek, in Gestalt von Leuten, die uns und Ihnen vorangehen«, antwortete einer. »Wenn Sie immer Ihrer Nase folgen, aber rechtzeitig kehrtmachen, sind Sie im Nu dort. Fragen Sie nach Familie Nance, und Sie bekommen einen Trunk und jede Menge Medizin.«
    »Wogegen?«
    »Gegen Krankheiten und alles, was wehtut. Wenn die alte Ma Nance nichts tun kann, dann kann es keiner.«
    »Nance?«, wiederholte Stort.
    »Ganz recht. Und Sie?«
    »Wie wir heißen? Stort, Bedwyn Stort, und Mister Barklice, beide aus Brum.«
    »Kommt mir bekannt vor«, bemerkte einer. »Barklice, sagen Sie?«
    Er drehte sich um und wiederholte den Namen, und ein anderer rief: »Sieh mal einer an, ist er endlich zu Verstand gekommen, der Mann! Mit der Zeit tun sie das alle.«
    »Dann kennen Sie Mister Barklice?«
    Sie lachten wissend, aber nicht unangenehm, und einer sagte: »In Englalond gibt es keinen Bilgener, der diesen alten Namen nicht kennen und nicht hoffen würde, dass er endlich das Richtige tut und das Falsche lässt. So, unser Trunk ist jetzt leer, und wir brauchen etwas zu essen. Folgen Sie den Zeichen, dann gibt es kein Vertun. Die Wurd weist den Weg zum Paley’s Creek, er ist nicht zu verfehlen!«
    Sie gingen in die eine Richtung, Stort in die andere. Er beeilte sich, Barklice einzuholen, denn er brannte darauf, ihm mitzuteilen, was er erfahren hatte, obgleich er sich noch nicht ganz im Klaren darüber war, was er eigentlich erfahren hatte.
    »Ich hatte recht, Barklice, der Creek ist gleich ...«
    »Ist er nicht.«
    »Aber sie sind auf dem Weg ...«
    »Sind sie nicht.«
    Der Wind wurde stärker und trug die Klänge der sonderbaren Musik herbei.
    »Aber ich kann Musik hören ...«
    »Können Sie nicht!«
    Barklice schritt noch schneller aus, weigerte sich, zu reden oder stehen zu bleiben, marschierte immer weiter und weiter, bis lange nach Einbruch der Dunkelheit.
    »Barklice, ich gehe keinen Schritt weiter. Ich weiß nicht, was in Sie gefahren ist, aber ...«
    »Nichts ist in mich gefahren, nur Ihre Torheit.«
    »Aber ...«
    »Helfen Sie mir jetzt, einen trockenen Platz abseits der Straße zu finden ...«
    Es war ihre Gewohnheit, nach dem Abendessen dazusitzen, die Sterne zu betrachten, sofern welche da waren, sich an einem warmen Trunk zu laben und sich zu unterhalten.
    Viele seiner schönsten Stunden hatte Stort bei solchen Gesprächen mit Mister Barklice zugebracht, bei denen sich ihre Gedanken immer dem einen großen Mysterium zuwandten, das für sie so unergründlich war wie das Universum, dessen Sterne, Planeten, Sonnen und Monde ihnen solchen Trost spendeten: die Liebe.
    Die Liebe der erwachsenen Art.
    Die Liebe, wie sie nur eine Frau schenken konnte, und mitunter die Liebe von Weib und Kind. Stort hatte die Hoffnung darauf aufgegeben, sosehr er sich auch nach einer Familie sehnte. Und Barklice konnte nur den Kopf schütteln und sich fragen, warum die Liebe an ihm vorübergegangen war.
    »Aber Sie sind älter als ich und hatten genug Zeit«, pflegte Stort zu sagen. »Haben Sie denn nie ...?«
    »Niemals!«, antwortete Barklice. »Zu schüchtern, nehme ich an. Wusste nie, was ich tun oder sagen sollte ... und niemand hat es mir gezeigt.«
    »Hätten Sie denn gerne Kinder gehabt?«, hatte Stort einmal gefragt.
    Worauf Barklice in jener weit zurückliegenden Nacht, als das Feuer heruntergebrannt und aller Met getrunken war und die Betten riefen, schließlich geantwortet hatte: »Gerne, sehr gerne.«
    Doch an diesem Abend, an dem sie in der Nähe – oder auch nicht, je nachdem – von Paley’s Creek lagerten, sprachen sie nicht über die Liebe.
    Sie sprachen über gar nichts, denn Barklices rätselhafte

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