Das Erwachen
gestattet war.
Ein Ort, wo nicht alles so war, wie es schien, wo die Zeit Kapriolen schlug, wo sich eine Tatsache auf wundersame Weise in eine andere verwandelte, so wie eine Melodie von einer Tonart in eine ganz andere überging. Dennoch war hinterher, wenn es vorbei war, alles noch genau wie zuvor.
Neugierig, wie er von Natur aus war, hatte Barklice viele Leute gefragt, wo dieser Ort wohl sein mochte, und ebenso viele verschiedene Antworten erhalten. Einzig gewiss war nicht der Ort, sondern die Zeit: im Frühsommer, gegen Ende Mai. Da fand eine Art Zusammenkunft statt, ein großes Fest ... Aber wo war der Creek selbst?
Barklice brachte es nicht in Erfahrung und fand ihn daher auch nie. Bis er eines Tages durch die nebelverhangene Landschaft von Wychwood in Oxfordshire wanderte und, in Gedanken ganz woanders, zufällig einer Gruppe gutgelaunter Bilgener begegnete, die sangen und lachten, wie es Bilgener häufig tun.
»Wohin des Wegs?«, fragten sie ihn.
»Dienstlich nach Brum«, lautete seine Antwort.
»Pausieren Sie ein Weilchen, kosten Sie die letzten Maitage aus und kommen Sie mit uns zum Paley’s Creek.«
Das Amtsgeschäft, in dem er unterwegs war, hatte keine Eile, und so wollte er die verlockende Einladung nicht ausschlagen.
Er schloss sich ihnen an, lagerte natürlich etwas abseits, saß aber bei ihnen am Feuer, aß von ihren Speisen und teilte seine mit ihnen.
Ihre Lieder waren eigentümlich, ihre Musik voller Tiefe, und als nach dem Essen der Met floss und die Unterhaltung in Gang kam, fesselten sie ihn mit ihrer kraftvollen, geheimnisvollen Sprache.
»Baccy?«, sagten sie und boten ihm ein wohlriechendes Kraut an.
»Nein ... obwohl ... na schön.« Er führte sich etwas davon zu Gemüte. Dann fragte er, da er sich mit ihnen zu einer Reise anschickte, wie er noch keine unternommen hatte, aus welcher Richtung sie tags zuvor gekommen waren und in welche sie weiterziehen würden.
»Zum Paley’s Creek, natürlich.« Sie lachten, und ihr Gelächter schien ihnen vorauszueilen. Im Morgengrauen stieg Nebel auf, andere Leute stießen zu ihrem Zug, erzählten geheimnisvolle Geschichten aus verflossenen Zeiten. Er trug eine Kerze. Frauen, wie er noch keine gesehen, Hände in seiner, wie er noch keine berührt hatte, eine grandiose Dunkelheit, Feuerschein und ein Fluss, die Themse, wie er vermutete ... Der Fluss zog vorüber, in seiner Strömung trieben beleuchtete Schiffe, die riesig waren wie Galeonen, gewaltig in der Nacht, jedenfalls erschien es ihm so von dort, wo er lag, in einer Laube oder einem wohlriechenden Bett.
»Wann werden wir dort sein?«, fragte er viele Male.
»Wo?«, erwiderten sie, verwundert über die Frage.
»Na ... am Paley’s Creek«, sagte er. »Sie sagten doch ...«
»Sie sind schon seit Tagen dort, Mister Barklice aus Brum. Aber aufgepasst jetzt, sonst kommen Sie nie mehr fort.«
»Aber wo ...?«
Ihr Lachen war sein eigenes, wie das Klirren von Windspielen oder der Flug eines großen Starenschwarms der Erinnerung über seinem Kopf. Und dann kam sie, die Frau.
»Wo bin ich?«, fragte er in der überwältigenden, wogenden Dunkelheit.
»Bei mir, Barklice«, sagte sie. »Bei mir. Wenn du willst, wenn du magst, wenn du darfst, bei mir ...«
»Aber ... ich wollte doch nur ... Ich wollte doch nur zum ...«
»Pst, sei still ... Viele Dinge sind Paley’s Creek ...«
Barklice sah Jack und Stort an, mit seinem Bericht allem Anschein nach am Ende.
»An dieser Stelle«, sagte er, »verbieten mir Schicklichkeit und Anstand, fortzufahren. Nur so viel sei gesagt: Ich musste feststellen, wie wahr meine Mutter gesprochen hatte, wenn sie, was sie häufig tat, zu ihrem Bruder, meinem Onkel, sagte: ›Kurzes Vergnügen, lebenslange Reue!‹ Verstehen Sie, worauf ich hinauswill, Stort?«
»Ich bin mir nicht ganz sicher«, antwortete Stort ganz offen, da ernicht verstand, was Barklices Hinweis auf seine Begegnung mit einer verführerischen Frau am Paley’s Creek mit fleischlichen Dingen zu tun hatte. »Wir haben Ihnen jetzt rund eine halbe Stunde lang zugehört, aber ich weiß noch immer nicht, was Paley’s Creek genau ist, noch wo es sich befindet ...«
»Ich dachte, das hätte ich klargemacht«, sagte Barklice pikiert, »ohne allzu deutlich werden zu müssen. Würden Sie mir da zustimmen, Jack?«
»Ich denke, das Wesentliche habe ich verstanden«, antwortete Jack vorsichtig.
»Da haben wir’s, Stort, das Problem liegt bei Ihnen, nicht bei uns.«
»Damit wir uns recht
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