Das Erziehungs-ABC - von Angst bis Zorn
bewusst einsetzen. Viele Eltern sind erbost und sehr enttäuscht, wenn sie ihre Kinder beim Lügen ertappen. Die Lügen zerstören das Vertrauen – und Menschen, die sich nahe stehen und Vertrauen zueinander haben, belügen sich nicht. So denken die meisten – doch wem dürften wir dann noch vertrauen? Schließlich sind die Eltern Vorbild: Experten haben ermittelt, dass Erwachsene bis zu 200-mal am Tag flunkern oder lügen. Für Sie gilt das nicht? Wetten, doch!
HAND AUFS HERZ
Wie oft am Tag flunkern Sie?
Haben Sie in Gegenwart Ihres Kindes schon geschwindelt?
Musste Ihr Kind Sie schon einmal am Telefon verleugnen?
Geben Sie es freiwillig zu, wenn Sie geflunkert haben, oder reden Sie sich raus?
Finden Sie kleine Flunkereien Ihres Kindes witzig und lachen darüber – oder korrigieren Sie solche Dinge?
Bauschen Sie Erlebnisse mit und vor Ihrem Kind manchmal kräftig auf?
Sicher haben Sie schon öfter die Frage »Wie geht’s?« mit »Danke, sehr gut!« beantwortet – auch wenn es nicht stimmte. Oder mit einer kleinen Übertreibung oder Ausschmückung hie und da dafür gesorgt, dass Erlebnisse als zündender Gesprächsstoff auf der Party taugten. Auch beliebt: die Notlüge von der kranken Großmutter, die Sie pflegen müssen, weshalb Sie einen unangenehmen Termin nicht wahrnehmen können ...
Ohne Lügen geht es scheinbar nicht – Kinder begreifen das schnell. Sie lernen von uns Erwachsenen, mit Lügen umzugehen, und perfektionieren den Umgang damit zwischen dem siebten und neunten Lebensjahr. Da heißt es für Sie als Eltern aufzupassen. Gehen Sie dem testenden Spiel Ihres Kindes mit der Lüge nicht auf den Leim. Und seien Sie selbst möglichst ehrlich.
Mut machen zum Ehrlichsein
Nehmen Sie Flunkereien von Kindern unter vier Jahren nicht so ernst. Ihr Kind lässt auf diese Weise Träume wahr werden.
Seien Sie Ihrem Kind ein gutes Beispiel, denn wenn es merkt, dass Sie oft kleinere »Vergehen« vertuschen, wird es Ihr Kind mit der Wahrheit auch nicht so genau nehmen.
Decken Sie Flunkereien und vor allem Lügen schonungslos auf. Sprechen Sie aber am besten zuerst unter vier Augen mit Ihrem Kind, stellen Sie es nicht vor »Publikum« bloß. Dramatisieren Sie die Dinge nicht, aber machen Sie Ihrem Kind klar, dass Sie den Schwindel durchschaut haben und erwarten, dass das die Ausnahme bleibt. Seien Sie auch bereit, Lösungswege zu finden.
Zeigen Sie Achtung und Respekt, wenn Ihr Kind eigene Lügen zugibt und aufdeckt.
Tipps für den »Ernstfall«
Reagieren Sie nicht spontan mit Wut. Bleiben Sie gelassen und sachlich. Reden Sie über das Thema Schwindeln.
Entwickeln Sie mit Ihrem Kind Strategien, um in Zukunft Lügen vermeiden zu können. Klären Sie sorgsam ab, warum Ihr Kind lügt – etwa aus Angst vor Strafe – und was Sie gemeinsam dagegen tun können.
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Machtkämpfe: Wer ist stärker?
Samstagvormittag im Supermarkt: eine lange Schlange vor der Kasse. Jana (fünf Jahre) will ein Eis, Mama lehnt ab. Jana bettelt, Mama bleibt hart. Jana quengelt, andere Leute werden aufmerksam. Jana wirft sich auf den Boden, hält alle auf. Wie peinlich! Beim nächsten Mal bekommt Jana schnell ihr Eis. Sieg auf ganzer Linie! Jana hat gelernt, wie und wann sie Macht ausüben kann.
In jeder Familie gibt es Auseinandersetzungen. Kinder testen naturgemäß aus, welche Rolle sie dabei spielen können. Sie müssen ihre Position ausloten – und ausprobieren, wie es um ihre eigene Macht bestellt ist. Das ist für ihre Entwicklung wichtig.
Je demokratischer es im Elternhaus zugeht, umso weniger muss es zu Machtkämpfen kommen. Kinder lernen dann früh, dass man über (fast) alle Dinge sprechen und Regelungen oder Kompromisse finden kann. Kinder merken aber auch schnell, dass es manchmal nur eine Frage der Ausdauer ist, wer einen Machtkampf gewinnt – und dass sie ihre Eltern beherrschen können.
Kommt es zum Konflikt, versuchen es viele Eltern zunächst mit Bitten, Erinnern und Überredungskünsten. Später schmeicheln und ermahnen sie, um dann zu drohen: »Du gehst jetzt sofort ins Bett, sonst darfst du am Wochenende nicht bei deinem Freund schlafen.« Solche Aussagen schaffen ein fast unlösbares Dilemma. Das Kind fühlt sich machtlos und bedroht. Es gehorcht nicht aus Einsicht. Seine Chance, Selbstverantwortung zu lernen, wird eingeschränkt. Geben Sie als Eltern jedoch nach, merkt Ihr Kind, dass Sie manipulierbar sind. Es dreht den Spieß um und übt selbst Macht aus. Der einzige
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