Das Eulenhaus
dass Ärzte diesbezüglich Probleme haben.«
»Ach, das meinen Sie!« Jetzt klang Beryl hämisch. »Dr. Christow ist mit diesbezüglichen Problemen sehr gut zurechtgekommen. Er hatte gegenüber allen Patientinnen beste Manieren.« Dann setzte sie noch hinzu: »Er war wirklich ein hervorragender Arzt.«
Etwas beinah widerwillig Bewunderndes schwang mit.
»Gab es Verstrickungen mit sonst einer Frau?«, bohrte Grange weiter. »Vergessen Sie die Loyalität, Miss Collins, es ist wichtig, dass wir so etwas wissen.«
»Ja, das ist mir klar. Aber ich weiß von keinem Verhältnis.«
Das kam etwas zu schnell, fand er. Wahrscheinlich weiß sie nichts, ahnt aber etwas. »Und was ist mit Miss Henrietta Savernake?«
Beryl bekam sehr schmale Lippen. »Sie war eine enge Freundin der Familie.«
»Also keine – Querelen zwischen dem Doktor und Mrs Christow ihretwegen?«
»Bestimmt nicht.«
Das kam mit Nachdruck – mit zu viel Nachdruck? Der Inspektor wechselte noch einmal das Thema. »Und wie wär’s mit Miss Veronica Cray?«
»Veronica Cray?« Beryls Stimme klang nur nach schierer Verwunderung.
»Sie war doch eine Freundin von Dr. Christow, nicht?«
»Ich habe nie von ihr gehört. Das heißt, der Name kommt mir irgendwie bekannt vor – «
»Die Filmschauspielerin.«
Beryls Gesicht klärte sich. »Ja, natürlich! Kein Wunder, dass mir der Name etwas sagte. Aber ich wusste gar nicht, dass Dr. Christow sie kannte.«
Das klang so wahrhaftig, dass Inspektor Grange auch das Thema wieder fallen ließ. Stattdessen fragte er nach Dr. Christows Benehmen am vergangenen Samstag. Und da geriet Beryls Sicherheit zum ersten Mal ins Wanken.
»Sein Benehmen war – nicht ganz das übliche«, sagte sie bedächtig.
»Inwiefern war es anders?«
»Er war irgendwie abwesend. Es gab eine ziemlich lange Pause, bevor er nach der letzten Patientin klingelte – normalerweise sah er immer zu, dass er schnell durchkam, wenn er wegfahren wollte. Ich hatte den Eindruck – ja, ich war ziemlich sicher, dass ihm irgendetwas im Kopf herumging.«
Genauer konnte sie das allerdings nicht sagen.
Inspektor Grange war unzufrieden mit den bisherigen Ermittlungen. Er hatte noch nicht einmal annähernd ein Motiv – und die Motivlage musste geklärt sein, bevor die staatsanwaltlichen Ermittlungen beginnen konnten.
Er war innerlich einigermaßen überzeugt, dass Gerda Christow ihren Mann erschossen hatte. Er vermutete als Motiv Eifersucht – aber er hatte bisher nichts in der Hand, mit dem er weitermachen konnte. Sergeant Coombes hatte zwar die Dienstmädchen bearbeitet, aber die hatten allesamt dasselbe erzählt: Mrs Christow küsste den Boden unter den Füßen ihres Gatten.
Was immer da vorgefallen war – es musste im »Eulenhaus« passiert sein. Er verspürte eine vage Unruhe, als ihm das »Eulenhaus« einfiel. Das war ein merkwürdiger Haufen Leute da.
Das Telefon klingelte. Miss Collins nahm ab, sagte aber gleich: »Es ist für Sie, Herr Inspektor«, und reichte ihm den Hörer.
»Grange hier, hallo. Wie bitte?«
Beryl sah ihn neugierig an, weil sie hörte, wie sich sein Tonfall veränderte. Aber seine hölzern wirkende Miene war undurchdringlich wie immer. Er hörte einfach zu und grunzte vor sich hin.
»Ja… ja, habe ich. Und das ist absolut sicher, ja? Kein Spielraum für Fehler? Ja… ja… ja, ich bin bald wieder da. Bin hier fast fertig. Ja.« Er legte den Hörer auf und saß einen Augenblick regungslos da.
Beryl sah ihn immer noch neugierig an.
Dann hatte er sich wieder im Griff und fragte, allerdings in einem sehr anderen Ton als vorher: »Und Sie, Miss Collins, haben wohl keine eigene Idee zu der ganzen Angelegenheit, nehme ich an?«
»Sie meinen – «
»Ich meine, wer Dr. Christow erschossen hat?«
»Absolut gar keine, Herr Inspektor«, sagte sie bestimmt.
»Als die Leiche gefunden wurde, stand Mrs Christow mit dem Revolver in der Hand daneben – « Er ließ den Satz absichtlich unvollendet.
Beryl Collins reagierte sofort, aber nicht hitzig, sondern kühl und unvoreingenommen. »Wenn Sie glauben, dass Mrs Christow ihren Mann umgebracht hat, sind Sie nach meiner Meinung im Irrtum. Mrs Christow ist völlig unaggressiv. Sie ist der sanftmütige, unterwürfige Typ Frau, und sie stand völlig unter Dr. Christows Fuchtel. Dass irgendjemand auch nur einen Moment erwägt, sie habe ihn erschossen, erscheint mir absolut lächerlich, und wenn noch so viel gegen sie zu sprechen scheint.«
»Wenn nicht sie, wer denn dann?«, fragte
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