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Das Eulenhaus

Das Eulenhaus

Titel: Das Eulenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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würde eine Frau wie Gerda Christow ein Verbrechen anlegen. Ohne Vorwand, ganz unkompliziert – einfach zu einem jähen Gewaltakt getrieben durch die bitteren Qualen, die ihr zwar beschränktes, aber zutiefst liebendes Wesen erlitten hatte.
    Und dennoch – ja, ganz bestimmt musste sie auch einen Funken Selbsterhaltungstrieb besitzen. Oder hatte sie aus der Blindheit, der Dunkelheit des Geistes heraus gehandelt, die da ist, wenn die Vernunft vollständig ausfällt?
    Er rief sich ihren leeren, benommenen Gesichtsausdruck ins Gedächtnis.
    Er wusste es nicht – er wusste es einfach nicht.
    Aber er spürte genau, er musste es wissen.

16
     
    G erda Christow zog das schwarze Kleid wieder über ihren Kopf und ließ es auf den Stuhl fallen. Ihr Blick war mitleiderregend unsicher. »Ich weiß nicht«, sagte sie, »ich weiß wirklich nicht. Es ist, als wäre alles irgendwie unbedeutend.«
    »Ich weiß, meine Liebe, ich weiß.« Mrs Patterson war freundlich, aber auch energisch. Sie wusste bestens, wie man mit Leuten umgeht, die gerade einen Trauerfall erlitten haben. »Elsie ist fantastisch bei Krisen«, pflegte ihre Familie zu sagen.
    In diesem Augenblick saß sie im Schlafzimmer ihrer Schwester Gerda und war wieder einmal fantastisch, die lange, dünne Elsie Patterson mit ihrer resoluten Tatkraft. Sie sah Gerda mit einem Gemisch aus Gereiztheit und Mitleid an.
    Die arme liebe Gerda – wie tragisch, den Ehemann auf so schreckliche Weise zu verlieren. Und sie schien noch nicht einmal jetzt wirklich zu begreifen – na ja, was das wirklich bedeutete. Gerda war natürlich immer furchtbar langsam gewesen, überlegte Mrs Patterson. Und man musste ja auch den Schock bedenken.
    »Ich finde«, schlug sie aufmunternd vor, »du solltest das aus dem schwarzen Crêpe marocain nehmen, für zwölf Guineas.«
    Man musste einfach immer für Gerda entscheiden.
    Gerda stand reglos und mit gerunzelten Augenbrauen da und sagte zaudernd: »Ich bin gar nicht sicher, ob John Trauerkleidung mochte. Ich glaube, er hat mal gesagt, dass er die gar nicht mag.«
    John, dachte sie für sich, wenn John doch nur hier wäre und mir sagen würde, was ich machen soll.
    Aber John würde nie wieder da sein. Nie – nie – nie… die Lammkeule, die kalt wird – am Tisch erstarrt… das Zuschlagen der Tür zum Behandlungszimmer, Johns Schritte, immer zwei Treppenstufen auf einmal, immer in Eile, so vital, lebendig…
    Lebendig.
    Wie er auf dem Rücken liegt, am Schwimmbecken… wie langsam Blut über den Rand tröpfelt… wie sich der Revolver in der Hand anfühlt…
    Ein Albtraum, ein ganz böser Traum, sie würde jetzt jeden Moment aufwachen, und es wäre alles nicht wahr.
    Die Stimme ihrer Schwester schnitt scharf durch ihre Gedankenschwaden. »Du musst aber etwas Schwarzes haben, für den Gerichtstermin. Es würde einen sehr eigenartigen Eindruck machen, wenn du da in Hellblau erscheinst.«
    »Dieser schreckliche Termin!«, sagte Gerda und ließ die Lider sinken.
    »Ja, furchtbar für dich, Schatz«, beschwichtigte Elsie Patterson sofort. »Aber wenn das alles erst mal vorbei ist, kommst du gleich zu uns, wir kümmern uns um dich.«
    Die deutlichen Schwaden in Gerda Christows Kopf wurden dichter. Mit ängstlicher, fast panischer Stimme fragte sie: »Was soll ich denn nur machen ohne John?«
    Auf die Frage hatte Elsie die Antwort parat: »Du hast doch deine Kinder. Für sie musst du leben.«
    Zena, die sich schluchzend und »Mein Papi ist tot!« schreiend auf ihr Bett wirft. Terry, der bleich ist und bohrende Fragen stellt und keine Träne vergießt.
    Ein Unfall mit einem Revolver, hatte sie ihnen erklärt – der arme Papi hat einen Unfall gehabt.
    Beryl Collins hatte – wohl überlegt – die Morgenzeitung konfisziert, damit die Kinder sie nicht sahen. Sie hatte auch dem Personal Bescheid gesagt. Beryl war wirklich sehr freundlich und dachte mit.
    Und dann Terence – der mit zusammengekniffenen Lippen und einem fast grünstichig bleichen Gesicht zu seiner Mutter in das düstere Wohnzimmer kommt. »Warum ist Vater erschossen worden?«
    »Ein Unfall, Liebes. Ich – ich kann nicht darüber reden.«
    »Es war kein Unfall. Warum sagst du etwas, das gar nicht stimmt? Vater ist umgebracht worden. Es war Mord. Das steht in der Zeitung.«
    »Terry, wo hast du die Zeitung her? Ich hatte doch Miss Collins gebeten – «
    Terence hatte genickt – immer wieder, es hatte ausgesehen wie das Kopfwackeln eines alten Greises. »Ich bin natürlich eine kaufen

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