Das Exil Der Königin: Roman
Und komm allein.«
Er begann zu schimmern und verschwand.
Han spürte plötzlich einen schrecklichen Schmerz in seinem Kopf. Er stöhnte und öffnete die Augen. Und starrte geradewegs in Gryphons grimmiges Gesicht.
Einen Moment lang hatte er das Gefühl, als wäre er krank, aber der Anfall ging vorüber. Er sah nach unten zu seinem Amulett und bemerkte, dass Gryphon seine Hand darum geschlossen hatte, gleich unterhalb seiner eigenen. Der Master packte so kräftig zu, dass seine Knöchel weiß waren und sein Gesicht von Schweiß glänzte.
»Lasst los«, sagte Han schwach und zog mit der Hand an Gryphons Fingern.
»Du zuerst«, erwiderte der Master. »Ich will nicht, dass du mir wieder entgleitest.«
Zögernd ließ Han los und wischte sich seine schweißnasse Hand an seinem Gewand ab. Jetzt stellte er fest, dass er auf dem Steinboden des Klassenzimmers lag; sein Kopf ruhte auf einem fremden Umhang. Hinter Gryphon tauchten Gesichter auf – die seiner Mitstudenten.
Micah Bayar zog eine finstere Miene, als würde er es bedauern, dass Han wieder unter den Lebenden weilte. Fiona konnte er nirgends sehen.
Gryphon berührte Hans Stirn mit heißen Fingern, dann ließ er schließlich das Amulett los. »Du bist außer Gefahr«, sagte er. »Der Schöpfer beschützt die Unvollkommenen, wie es scheint.«
Der Master saß auf dem Boden. Die Krücken lagen neben ihm, und sein Gewand war bis zu den Knien hochgerutscht. Seine Unterschenkel waren vernarbt und verschrumpft, das Fleisch ledrig und dunkel, als wäre es verbrannt. Eisenklammern reichten von den Knöcheln bis über die Knie hinaus.
Gryphon folgte Hans Blick. Mit finsterer Miene riss er den Stoff nach unten, um die Unterschenkel zu bedecken.
»Was ist passiert?«, fragte Han, dem es leidtat, dass Gryphon seinen Blick bemerkt hatte. »In Aediion, meine ich«, beeilte er sich hinzuzufügen.
»Wir konnten zweifelsfrei feststellen, dass du ein Idiot bist, Alister«, antwortete Gryphon. »Es ist dir gelungen, sowohl dein Amulett als auch dich selbst vollkommen zu verausgaben. Deshalb hast du meine Hilfe gebraucht, um zurückzukommen. Ich hoffe, die Reise war es wert.«
Die Tür zum Klassenzimmer wurde aufgestoßen, und eine große, knochige Frau marschierte herein, gefolgt von Fiona. Die stahlgrauen Haare der Fremden waren glatt, kinnlang und von magierroten Strähnen durchzogen. Die Säume ihres Gewandes waren mit kunstvollen Stickereien verziert, und etliche Samtbänder an den Ärmeln verrieten Han, dass sie eine hohe Position innehatte.
»Was ist los, Master Gryphon?«, fragte sie. »Neuling Bayar sagte, dass ein Student in Schwierigkeiten wäre.«
»Dekanin Abelard!« Gryphon packte seine Krücken und kämpfte sich auf die Beine; es war ihm sichtlich peinlich, dabei ertappt zu werden, wie er so am Boden saß.
»Kann ich Euch helfen?«, fragte Dancer, der neben ihm hockte. Als Gryphon nickte, schob Dancer seine Hände unter die Arme des Masters und half ihm, aufzustehen. Kaum dass er wieder aufrecht stand, schüttelte Gryphon seine Hände ab. Dancer reichte ihm die beiden Krücken.
»Niemand ist in Schwierigkeiten«, beschwichtigte Gryphon. »Neuling Alister hat zu lange gebraucht, um von Aediion zurückzukehren.«
»Von Aediion?« Dekanin Abelard starrte auf Han herunter. Sie biss sich auf die Unterlippe. »Wirklich?«
Gryphon nickte. »Er erholt sich inzwischen.«
Dekanin Abelard packte ihr Gewand mit der einen Hand und kniete sich neben Han. Dann tastete sie mit dem Handrücken nach seiner Wange. Ihre Hand fühlte sich glühend heiß auf seiner kalten Haut an.
»Holt Wasser für den Jungen«, befahl Abelard, und jemand rauschte davon. Kurz darauf tauchte ein Becher auf, und Han leerte ihn.
Jemand anderes kniete sich hin und drückte seine oder ihre Knie gegen Hans Hüfte. Er drehte den Kopf herum und sah, dass es Fiona war, die ihn mit leicht geöffneten Lippen und blassen Augen anstarrte.
»Was ist mit ihm?«, fragte sie und beugte sich so weit vor, dass ihre Haare Hans Wange berührten. »Wird er überleben?«
»Wenn er es bis jetzt geschafft hat, wird er wohl auch weiterhin am Leben bleiben«, sagte Abelard. »Es war richtig, mich zu holen.«
Sie griff nach Hans Amulett, riss aber sogleich ihre Hand zurück, als würde sein Anblick sie entsetzen.
»Eine interessante Wahl, Alister«, murmelte sie und strich ihr Gewand glatt. »Wir müssen uns darüber unterhalten. Darüber und über einiges andere.« Und dann, ohne den Blick von ihm zu nehmen,
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