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Das Exil Der Königin: Roman

Das Exil Der Königin: Roman

Titel: Das Exil Der Königin: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cinda Williams Chima
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Hallies Schnarchen konnte sie vom Schlafen abhalten.
    Aber sie konnte sich nicht beklagen. Sie hatte darum gebeten – ja, sie hatte danach verlangt. Und jetzt zahlte sie den Preis dafür. Es gab keine tagträumerischen Phasen mehr, in denen sie stickend dasaß, Kammermusik hörte oder im Garten Landschaftsbilder malte. Es gab keine trägen Nachmittage mehr, an denen man beim Tee auf der Terrasse Klatsch und Tratsch austauschte.
    Es gab nicht mal eine Terrasse.
    Dass Grindell House keinen Hauswart besaß, hätte dazu verlocken können, die Regeln zu brechen, aber dafür waren alle viel zu erschöpft. Als Befehlshaber und Vierjähriger erlegte Amon seinen Kameraden strikte Einhaltung der Sperrstunde auf, auch wenn er selbst zu diesem Zeitpunkt nur selten im Haus war. Raisa lag immer schon fast im Halbschlaf, wenn die Sperrstunde einsetzte, und versuchte, noch ein paar Seiten mehr zu lesen, bevor sie die Kerze löschte. Hin und wieder schlief sie sogar beim Lesen ein und lag dann zusammengesunken auf ihrem Schreibtisch, das Gesicht auf den Seiten ihres Geschichtsbuchs. Vielleicht war es ja möglich, dass ein Teil des Wissens durch ihre Haut in sie einsickerte – hoffte sie vergeblich.
    Sie hielt sich gehorsam von der Brückenstraße fern, auch wenn es äußerst verlockend war, zusammen mit Talia und Hallie auszugehen, als diese sie einluden. Sie redete sich ein, dass sie sowieso dazu keine Zeit hatte. Zumindest konnte sie so Talias unaufhörlichen Versuchen entgehen, sie mit jemandem zu verkuppeln.
    Nicht lange, und sie begann, den Unterricht in der Geschichte der Kriegskunst zu fürchten. Dreimal in der Woche gab es Vorlesungen, die von den Mastern und Dekanen gehalten wurden, und jeden Tag fanden Übungsstunden statt. Diese wurden von Versierten geleitet, die Diskussionen anregten und die mündlichen und schriftlichen Prüfungen durchführten. Sie besaßen also viel Macht, besonders über die Neulinge.
    Die Übungsstunde in der Geschichte der Kriegskunst wurde von einem ardenischen Versierten namens Henri Tourant gehalten.
    Als jüngerer Sohn eines Lehnsherrn war Tourant offenbar zu dem Schluss gekommen, dass ein akademischer Posten ihm Möglichkeiten bot, die er zu Hause nicht haben würde – die Möglichkeit, tagsüber Studenten zu schikanieren und nachts anderweitigen Ausschweifungen nachzugehen.
    Tourant war ein Tyrann, und er legte gegenüber Frauen jene arrogante und herablassende Haltung an den Tag, wie sie für Ardener typisch war. Er stellte seine Meinung zu diesem Thema von Anfang an klar – Frauen sollten sich woanders einschreiben und nicht die Zeit der Fakultät von Wien House und den anderen männlichen Akademien verschwenden. Tausend Jahre nach der Großen Zerstörung kam Arden immer noch nicht über die Tatsache hinweg, dass das Land einmal von einer Frau regiert worden war.
    Tourant war ein kleiner Mann – sowohl bezogen auf seine Statur als auch in jeder anderen Hinsicht. Er hatte dünne, grausam wirkende Lippen und lange braune Locken. Die Haare wurden auf dem Scheitel bereits schütter, obwohl er nur ein paar Jahre älter sein konnte als Raisa. Sein fliehendes Kinn und die vorstehende Nase verliehen seinem Gesicht etwas Reptilienhaftes.
    Aber er hatte auch etwas von einem Dandy, und oft zog er die Gelehrtenrobe aus, um seine elegante Kleidung zur Schau zu stellen.
    Tourant stolzierte vor der Klasse hin und her und bestritt das, was eine Diskussion sein sollte, fast ganz allein. Selten blieb er bei einem Thema, und er schien eine lockere Einstellung gegenüber den Fakten zu haben. Eine echte Diskussion wäre hilfreich gewesen, aber Tourants Kurs war reine Zeitverschwendung.
    Meistens saß Raisa in der hintersten Reihe und erledigte Hausaufgaben. An diesem Tag jedoch ging es um die Bedeutung der Magie in der Kriegskunst, und sie konnte sich nur mühsam mit etwas anderem beschäftigen und ihren Mund halten, während Tourant einfach drauflosquatschte und faule Informationen abließ wie ein zerbrochenes Abflussrohr.
    Nun, dann lerne ich immerhin Selbstbeherrschung, dachte Raisa und ballte die Fäuste in ihrem Schoß. Eine sehr wertvolle Fähigkeit.
    Aber es kam noch schlimmer. Eine Tempelgeweihte aus Arden mit ziemlich irrem Blick verkündete, dass die Demonai-Krieger nackt in die Schlacht ziehen würden.
    »Obwohl sie märchenhaft reich sind, tragen die Wilden ihren Reichtum nur als Schmuck«, gab die Geweihte zum Besten. »Sie kämpfen nackt, abgesehen von den massiven Goldreifen um ihren

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