Das Exil Der Königin: Roman
Geschäftspartner aus dem Norden?«
Diesmal stand Haddam auf, sodass ihr Gewand rauschte. Sie starrte Tourant finster an.
Askell seufzte. »Setzt euch, Morley und Haddam.« Sie gehorchten. »Als Master von Wien House und der Fakultät hier in Odenford gefällt mir die Vorstellung, dass ich die wichtigste Rolle bei eurer Ausbildung spiele. Aber es ist nicht wahr. Was Odenford so wirkungsvoll macht, ist die Unterschiedlichkeit der Studenten, die von überall aus den Sieben Reichen kommen. Kluge Kadetten werden diese Chance zu nutzen wissen. Sie werden schweigen und zuhören, wenn ihre Mitstudenten aus persönlicher Erfahrung sprechen. Ob ihr sie dann im Krieg oder im Frieden wiederseht – ihr werdet auf jeden Fall in Zukunft besser darauf vorbereitet sein, eure Aufgabe zu erfüllen. Diejenigen, die sich auf Beweise verlassen, werden es schaffen. Die anderen, die sich an Mythen halten, an Unterstellungen und Gerüchte, werden scheitern. Habt ihr das verstanden?«
»Jawohl, Sir!«, dröhnte es durch den Saal.
Askell lächelte schwach. »Weitermachen, Versierter Tourant«, sagte er, drehte sich um und verschwand durch die Tür.
Raisa sah gerade im richtigen Moment zurück zu Tourant, um seinen giftigen Blick aufzufangen. Nun, dachte sie. Jetzt habe ich einen Feind.
Danach sah sie Master Askell noch viel häufiger im Unterricht. Besonders bei den Übungen. Manchmal nahm sie eine Veränderung im Verhalten und Benehmen von Tourant wahr, und wenn sie dann von ihren Notizen aufsah, stellte sie fest, dass der Master an der Rückwand des Klassenzimmers lehnte.
Oder sie stand in der Finanzklasse an der Tafel, drehte sich um und fand im hinteren Teil des Raums Askell mit ihrem Lehrer im Gespräch. Manchmal sah sie ihn auch am Ende des Sprach-Übungskurses zwischen den Studenten sitzen und fragte sich, wie lange er schon da war. Oft schlüpfte er während einer hitzigen Diskussion oder mitten in einer mündlichen Überprüfung unbemerkt herein und verschwand wieder, wenn er genug gesehen hatte.
Währenddessen wurde Raisa in ihrem körperlichen Training immer besser, aber sie begriff, dass sie darin niemals richtig gut werden würde. Für die meisten Flatland-Waffen war sie einfach zu klein und zu leicht, obwohl sie inzwischen einiges an Muskeln zugelegt hatte. Sie war eine ordentliche Bogenschützin und eine fähige Reiterin. Sie war – dank ihrer Ausbildung im Camp – hervorragend in Geografie und besaß einen ebenso guten Orientierungssinn sowie auch alle anderen Fähigkeiten, die man zum Überleben brauchte.
Außerdem war sie gut in Finanzen, dank ihrer Zeit auf den Clan-Märkten.
Es gefiel ihr, zusammen in einem Zimmer mit Hallie und Talia zu wohnen. Je mehr Zeit sie miteinander verbrachten, desto mehr begannen die beiden, sie wie eine von ihnen zu behandeln und nicht wie einen zerbrechlichen Gegenstand.
Hallie wirkte verglichen mit den anderen Wölfen richtig erwachsen. Sie war groß, laut, stark und gesellig, aber wann immer das Gespräch auf ihre Tochter kam, wurde sie augenblicklich still und traurig. Mehrmals am Tag holte sie eine kleine Zeichnung von Asha hervor und betrachtete sie, als hätte sie Angst, sie könnte vergessen, wie ihre Tochter aussah. Sie schickte jede Woche Briefe und kleine Geschenke, von denen sie doch niemals wusste, ob sie ihren Bestimmungsort auch erreichten.
Als sie eines Abends beide noch spät auf waren und für die Prüfungen lernten, bat Raisa sie, ihr das Bild von Asha zu zeigen.
»Sie ist wunderschön«, sagte Raisa und musterte das ernst dreinblickende Mädchen mit den enorm blauen Augen und einem Heiligenschein aus dünnen hellen Haaren. »Wer hat das gezeichnet?«
»Korporal Byrnes Schwester Lydia. Er hat sie darum gebeten, als ich mich an der Schule angemeldet habe und den Wölfen beigetreten bin.«
»Das muss schwer gewesen sein. Dich zu entscheiden, hierher zu kommen, meine ich«, sagte Raisa.
Hallie zuckte mit den Schultern. »Ich war in der regulären Armee – bei den Highlandern –, als ich gemerkt habe, dass ich schwanger war.« Sie sah Raisa an. »Ich bin kein Dummkopf, natürlich habe ich Frauengras genommen, aber es ist schwer, den Zyklus im Blick zu behalten, wenn man in der Armee ist und ständig herumreist. Ich bin nach Hause gegangen, um mein Mädchen auf die Welt zu bringen, aber ich musste arbeiten, um sie zu ernähren. Alles, was ich konnte, war Soldat sein, aber ich hasste die Vorstellung, in die Armee zurückzugehen, denn dann wäre ich ständig
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