Das Exil Der Königin: Roman
Maß an Schmerz verbunden, mit Leiden und einer Verausgabung von Macht.« Leontus machte eine Pause und sah seine Studenten über seinen Zwicker hinweg an. »Aber es gibt Strategien, die einem helfen, den Schaden am eigenen Körper auf ein Minimum zu begrenzen und nach einer Heilung wieder Macht zu sammeln. Mit einer angemessenen Ausbildung und der nötigen Sorgfalt gibt es keinen Grund, warum ein magiebegabter Heiler nicht eine normale Lebensspanne erreichen sollte.«
Während Leontus sich weiter über die Vor- und Nachteile des Heilerberufs ausließ, verloren sich seine Studenten in Tagträumen oder erledigten Hausaufgaben für andere Fächer.
Die Vorlesungen über Amulette, Talismane und magische Gegenstände wurden von Fulgrim Firesmith, einem verhutzelten alten Mann von den Clans, abgehalten. Han fühlte sich durch Firesmith an die Insektenleichen erinnert, die man im Sommer auf den Wegen finden konnte – braun, hart und verschrumpelt.
Die Herstellung von magischen Gegenständen war das Vorrecht der Clans und damit außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Magier. Es handelte sich daher mehr um eine Vorlesung über die Geschichte dieser Gegenstände – darüber, welche von ihnen heute im Vergleich zur Vergangenheit noch erhältlich waren. Das alles rief nur die Frustration der Studenten hervor, die jegliche Einschränkung der modernen magischen Werkzeuge ablehnten.
Firesmith’ Vorlesungen waren unendlich langweilig, aber dennoch schwer zu ignorieren. Firesmith war nämlich so taub wie ein Stock und brüllte seine Vorlesung in voller Lautstärke heraus.
Er bezog sich dabei auf ein uraltes Buch, das so brüchig war, dass er die Studenten daran vorbeigehen ließ, um sich die vergilbten Tuschezeichnungen darin anzusehen, statt das Risiko einzugehen, es in die Hand zu nehmen.
Han verspürte den unablässigen Drang – einen ungeduldigen Wunsch –, sich auf das Material zu konzentrieren, das sofort zur Verfügung stand. Er besaß bereits ein machtvolles Amulett. Aber er wollte mehr über die Zauberstücke und Zaubersprüche wissen, die ihn in die Lage versetzen konnten, es zu benutzen. Er hätte es vorgezogen, den Unterricht über das Amulettschwingen zu verdoppeln und alles andere zu vernachlässigen.
Nicht, dass er Wert darauf legte, mehr Zeit mit Gryphon zu verbringen. Sein Geist schweifte vielmehr immer wieder zu Crow ab und zu dessen Angebot, ihn zu unterrichten. Von Crow zu lernen, wie man Zaubersprüche handhabte, kam ihm sehr viel einladender vor als unter Gryphon zu leiden. Sofern er Crow trauen konnte.
Dancer allerdings schien von Firesmith und seinen alten Büchern fasziniert zu sein. Er kritzelte Zeile um Zeile von Notizen nieder und stellte detaillierte Fragen über die Theorie und das Handwerk, bis Fiona die Augen verdrehte und verstohlen hinter ihrer Hand gähnte.
»Interessiert dich das wirklich so?«, wollte Han von Dancer wissen, als sie in der Mittagspause den Kolleghof überquerten. Es regnete schon wieder; ein fischbäuchiger Himmel ließ düstere, kalte Schauer auf sie herab. Der durch Mark und Bein gehende Wind trieb ihnen die Regentropfen ins Gesicht, die sich wie Eisnadeln anfühlten. »Ich konnte kaum wach bleiben. Was er erzählt, können wir überhaupt nicht praktisch nutzen. Dabei gibt es noch so viel zu lernen.«
»Es interessiert mich wirklich«, antwortete Dancer, während er durch das nasse Laub schlurfte. »Erinnerst du dich nicht? Bevor das alles passiert ist, hatte ich gehofft, bei Elena Cennestre das Handwerk des Amulett-Schmiedens erlernen zu können.«
»Ich weiß.« Han drehte sich schwungvoll um, als ein hübsches Mädchen über den Rasen platschte, lachend ihren Rock hob und dabei ihre wohlgeformten Beine zeigte. Sie duckte sich unter eine der Galerien und verschwand. Er wandte sich wieder Dancer zu. »Hast du jemals irgendeinen magischen Gegenstand hergestellt?«
Dancer nickte. »Als ich jünger war. Es waren nur einfache Stücke, aber sie schienen zu funktionieren.«
»Aber … jetzt bist du ein Amulettschwinger«, sagte Han. »Und Magier können nicht …«
»Ich bin immer noch einer von den Clans«, sagte Dancer und reckte das Kinn. »Es kümmert mich nicht, was die Demonai sagen. Ich habe es noch nicht aufgegeben, meiner gewählten Berufung zu folgen.«
»Aber … wie willst du lernen, mit magischen Materialien zu arbeiten?«, fragte Han. »Elena wird dich nicht unterrichten, egal, ob du die Gabe des Schmiedens von metallenen Zauberstücken
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