Das Exil Der Königin: Roman
verdammten, verdammten Gebeinen. Würde das Gemetzel in seinem Leben denn niemals aufhören?
»Es sind ihre Sachen«, sagte Han und sah Askell an. Die Verzweiflung ließ seine Stimme belegt klingen.
Der Master hielt einen Dolch an der Spitze hoch. »Den haben wir bei der Wand gefunden.«
»Der gehört ihr ebenfalls«, bestätigte Han. Er ging durch den Raum, um ihn sich näher anzusehen. Es war kein Blut auf der Klinge. Also hatte Rebecca nichts entgegenzusetzen gehabt.
Ich hätte Bayar zum Schweigen bringen sollen, als ich die Möglichkeit dazu gehabt hatte, dachte er. Ich hätte mich an das halten sollen, was ich kenne – die Regeln der Straße.
»Ihr solltet besser nach Befehlshaber Byrne rufen lassen«, sagte Han hohl.
»Er ist schon auf dem Weg hierher.« Askell legte Rebeccas Klinge auf den Tisch.
»Wie ist sie gestorben?«, fragte Han und legte die Hände auf den Fenstersims, während er nach draußen starrte. »Was hat sie getötet?« Würde Bayar so arrogant gewesen sein, Magie anzuwenden?
Als Askell nicht antwortete, drehte Han sich um und lehnte sich mit dem Rücken gegen den Fensterrahmen. Der Master wirkte verblüfft. »Sprecht Ihr von Rebecca?«, fragte er.
»Nun, ja«, sagte Han. »Ich habe gesehen, wie sie die Leiche rausgetragen haben.«
Askell schüttelte den Kopf. »Wir haben vier Leichen gefunden, von zwei Männern und zwei Frauen, die alle keine Studenten waren, auch wenn sie die Uniformen von Kadetten trugen. Einer war hier drin. Er hat sich während eines Kampfs wohl den Kopf an der Tischkante aufgeschlagen. Die anderen drei waren draußen und scheinen durch Magie getötet worden zu sein.«
»Was?« Han starrte Askell an. »Aber das ergibt keinen Sinn.«
Askell zuckte mit den Schultern. »Es gibt viele Dinge auf der Welt, die keinen Sinn machen«, sagte er. »Rebecca mag tot sein, aber ihre Leiche haben wir nicht gefunden.«
KAPITEL SECHSUNDDREISSIG
Auf Umwegen
D unkelheit herrschte, als Raisa die Augen öffnete. Sie spürte, dass sie sich auf etwas befand, das sich bewegte, und es stank nach feuchter Wolle. Sie fühlte sich schwindelig und verwirrt. Ihr Kopf pochte, und in ihrem Mund klebte noch der Geschmack von schlechtem Wein. Sie versuchte, die Arme zu heben, aber sie waren mit irgendwelchem Stoff fest an ihren Körper gebunden. Über den Kopf hatte man ihr eine Kapuze gezogen, damit sie nichts sehen konnte.
Sie befand sich zusammen mit jemand anderem auf dem Rücken eines Pferdes; sie konnte die Wärme dieses anderen an ihrem Rücken spüren. Als sie versuchte, die Arme freizubekommen, um die Kapuze herunterzunehmen, schlang Micah Bayar einen Arm um ihre Taille und zog sie fest an sich.
»Endlich bist du wach«, sagte er dicht an ihrem Ohr. »Pass auf, dass du nicht runterfällst. Wir sitzen auf Raider, und es ist ein gutes Stück bis nach unten zum Boden.«
Während ihre übrigen Sinne ebenfalls erwachten, wurde sie sich auch der Geräusche anderer Pferde und Reiter um sie herum bewusst – Hufgetrappel auf festgetretener Erde, Knarzen von Sattelleder, Stimmengemurmel war zu hören.
Raisa riss den Kopf von einer Seite zur anderen und versuchte, die Kapuze irgendwie loszuwerden, wodurch sie sich den typischen stechenden Kopfschmerz einhandelte, der die Folge von Batiskraut war. Einen schrecklichen Moment lang dachte sie, dass sie sich übergeben würde.
»Wo sind wir?«, fragte sie, als der Anfall vorüber war.
»Nördlich von Odenford, auf der Straße nach Fetterford«, sagte Micah. Endlich zog er ihre Kapuze zurück, sodass sie etwas sehen konnte. Die frische Luft tat ihr gut. Sie ritten durch einen Wald, der so dicht war, dass sich die Wipfel der Bäume beinahe berührten.
Raisa sah sich um. Switcher folgte angebunden an einem Seil; die Stute war mit Vorräten beladen. Weiter vorn konnte Raisa den Rest der Gruppe sehen, vier andere Reiter, bei denen es sich um die Mander-Brüder, Fiona und noch einen weiteren Magier handeln musste.
»Wer ist das?«, fragte sie. »Der da bei Fiona und den Manders?«
»Wil Mathis«, erklärte Micah. »Er hat darum gebeten, mit uns nach Norden reisen zu können.«
Raisa kannte Wil vom Hof. Er war gelassen, gesellig und gutmütig, was ungewöhnlich für einen Magier war. Er war zwei Jahre älter als die Bayar-Zwillinge und in Fiona verliebt, seit sie sich erinnern konnte.
Jeder von ihnen hatte ein Ersatzpferd bei sich, das Gepäck und Vorräte transportierte. Weiter rechts, zwischen den Bäumen, erhaschte Raisa einen kurzen
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