Das Exil Der Königin: Roman
die Grauwölfe traten dicht zusammen. Sie hielten die Zügel mit bleichen und besorgten Gesichtern fest in ihren Händen. »Also gut. Wir finden sie. Sie kann nicht weit weg sein. Garret, Talia, Morley und ich werden ein Feuer errichten und das Lager aufbauen. Ihr Übrigen teilt euch in zwei Gruppen auf und sucht den Pfad ab, den wir gekommen sind. Ich erwarte euch zurück, sobald ihr meinen Pfiff hört, damit ihr mir Bericht erstattet. Und seid vorsichtig. Bindet euch mit Seilen aneinander, wenn es sein muss. Ich will meinem Dad nicht erklären müssen, dass ich mein Tripel in den Fens verloren habe.«
Für gewöhnlich hätte es darauf ein paar Sticheleien und Pfiffe als Antwort gegeben, aber niemand schien in der Verfassung zu sein, Witze zu reißen. Die anderen Kadetten verschwanden im Nebel, als sie den Weg zurückgingen, den sie gekommen waren.
Raisa entfachte methodisch ein Feuer; sie zog trockenen Zunder aus dem vom Wetter strapazierten Beutel an ihrem Gürtel und kramte den clangefertigten Feueranzünder aus ihrer Satteltasche. Amon und Garret stellten die Zelte auf, während Talia Wache stand. Ihre Waffen lagen in Reichweite auf dem Boden.
Nach vielleicht fünfzehn Minuten ließ Amon seinen Erkennungspfiff ertönen. Aber nichts geschah. Amon pfiff noch einmal. Und noch mal. Aber niemand von den anderen Wölfen kehrte zurück. Raisa hatte schon bald ein Feuer in Gang gebracht, das sie durch eine Wand aus vereistem Schilf und Lehm vor neugierigen Blicken schützte. Sie spannte Seile auf, um ihre nasse Kleidung zu trocknen. Nachdem sie Reisebrot, geräuchertes Fleisch und getrocknete Früchte hervorgekramt hatte, die sie zum Abendessen haben würden, bereitete sie Teewasser vor. Sie zwang sich, so zu tun, als wäre alles in Ordnung.
Ab dem Moment, als der vereinbarte Pfiff ertönt und verklungen war – einmal, zweimal, inzwischen unzählige Male –, begann Amon sich zu verändern: Erst wurde er ungeduldig, dann gereizt und angespannt und schließlich verstummte er völlig. Er zuckte bei jedem Geräusch zusammen – und es gab viele Geräusche in dem Sumpf um sie herum. Gefrorene Zweige knackten, und vereiste Sumpfgräser zischten, als hätten unsichtbare Hände sie berührt. Der Nebel wogte in Strudeln und Wirbeln um sie herum und erschuf monströse Schemen im Feuerschein.
Amon stand da und starrte in die Flammen und wartete. Das Licht des Feuers glättete die harten Linien seines Gesichts. Er ist erst siebzehn, dachte Raisa, nur ein Jahr älter als ich, und doch trägt er jetzt diese wahnsinnige Verantwortung. Wenn uns anderen irgendetwas zustößt, gibt er sich die Schuld daran, weil er den Befehl über uns hat. Ist das etwa gerecht?
Irgendwo im Nebel wieherte ein Pferd zur Begrüßung. Amon machte mit dem Schwert in der Hand einen Satz zu der Stelle, an der die Pferde angebunden waren. Er verschwand im Nebel, die Klinge dabei vor sich gestreckt. »Hallie!« Sein Ruf hallte gedämpft durch die dicke Luft.
Einige Momente später tauchte er wieder auf, neben sich ein reiterloses Pferd.
»Es ist das von Hallie«, sagte er kurz angebunden und befestigte es bei den anderen.
Talia und Garret erkundeten die Gegend direkt um das Lager herum. Sie horteten so viel brennbares Material, wie sie finden konnten, während sie darauf achteten, in Sichtweite zu bleiben. Amon kümmerte sich um die Pferde, ließ allerdings Sattel- und Zaumzeug an Ort und Stelle, als würde er damit rechnen, dass sie plötzlich in aller Eile aufbrechen müssten.
Wohin sollen wir gehen?, fragte Raisa sich. Es gab nichts, das einen dazu bringen konnte, den einen Flecken in dieser unwegsamen Wildnis einem anderen vorzuziehen. Sie konnten genauso gut auch hierbleiben, sodass die anderen immerhin die Möglichkeit hatten, sie zu finden. Sie kroch in die Zelte und fing an, das Bettzeug auszurollen, da sie sich sagte, dass die anderen nach ihrer Rückkehr sicherlich erschöpft sein und sich gern früh schlafen legen würden.
Sie war gerade im dritten Zelt, als ein Ruf erklang, der abrupt abgeschnitten wurde. Dann hörte sie jemanden laufen und durchs Unterholz brechen. »Garret!«, rief Amon. »Talia?«
Raisa erstarrte. Sie hielt den Atem an. Einen Augenblick später zuckte sie zusammen, als Amon die Zeltklappe beiseite schob und sich neben sie hockte. Er sprach ihr direkt ins Ohr. »Sie sind weg«, sagte er. »Es sind die Wasserläufer, es kann gar nicht anders sein. Ich weiß nicht, wie viele es sind, aber ich schätze, wir müssen
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