Das Exil Der Königin: Roman
ich dir von meinen Ideen nichts gesagt habe«, fuhr Amon fort. »Ich dachte, Master Askell würde ohnehin geradeheraus ablehnen, und wollte nicht, dass du enttäuscht bist. Ich dachte, es wäre leichter für dich, auf die Tempelschule zu gehen, wenn du nicht wüsstest, welche Möglichkeiten ich aufgebracht habe.«
»Was hat Askell gesagt?«, fragte Raisa noch einmal.
»Dimitri hatte recht. Du redest mit einer Zauberzunge«, sagte Amon und schüttelte den Kopf. »Master Askell hat deinem Curriculum und deiner Unterbringung zugestimmt. Du wirst übermorgen anfangen.«
KAPITEL NEUN
Der Weg nach Westen
H an ließ Ardenscourt nur zu gern hinter sich. Die Straße nach Tamron führte so gerade wie eine gespannte Bogensehne durch die Ebene zwischen der Hauptstadt von Arden und dem Fluss Tamron, und sie kamen schnell voran, zumal es keine Berge gab, die sie irgendwie überwinden oder umgehen mussten. Lediglich einen Fluss oder Bach galt es hin und wieder zu überqueren. Allerdings waren manche Brücken zerstört worden, und sie waren gezwungen, ein langes Stück flussauf- oder flussabwärts zu reiten, bevor sie irgendwo übersetzen konnten.
Überall um sie herum mehrten sich die Hinweise, dass Krieg geführt wurde – abgebrannte Bauernhäuser, Trupps von marschierenden Fußsoldaten, gewaltige, fest verschlossene Bergfriede mit wehenden Schlachtenbannern sowie große Feldlager. Han und die anderen verzichteten immer wieder auf ihr Straßennutzungsrecht und verbargen sich zwischen den Bäumen, um berittenen Patrouillen auszuweichen, deren Banner einem der vielen verschiedenen sich bekriegenden Lehnsherren galt.
Sie kamen an Schlachtfeldern vorbei und scheuchten dabei manchmal Krähen und Aasfresser von sich zersetzenden Leichen auf. Die Vögel zogen dann über ihnen ihre Kreise und beklagten sich lautstark, und kaum waren Han, Dancer und Cat weit genug entfernt, ließen sie sich wieder nieder. Mehrmals passierten sie Galgen, denen noch der Gestank von kürzlich herunter gelassenen Leichen anhaftete.
Die Zeit der fetten Beute für Krähen, dachte Han.
Angesichts der vielen Umwege und der Tatsache, dass sie erst spät aufgebrochen waren, war es vollkommen unmöglich, dass sie rechtzeitig zum Unterrichtsbeginn in Odenford sein würden.
Cat fühlte sich auf dem Rücken eines Pferdes ganz und gar nicht wohl. Das Pferd, das Jemson ihr geliehen hatte, war hässlich und träge und beinahe so übellaunig wie Ragger. Wie eine klebrige Klette klammerte Cat sich an seinen Rücken und saß vollkommen unbequem und starr da.
Cats überlegene Fähigkeiten auf den Straßen von Ragmarket nützten ihr auf dem Lande nur wenig, was sie mürrisch und zickig werden ließ. Sie war es nicht gewöhnt, in irgendetwas nur Zweitbeste zu sein.
Han und Dancer halfen ihr, indem sie sie in der Waidmannskunst unterrichteten und ihr Spurenlesen und das Jagen mit dem Bogen und vieles andere beibrachten. Ihre Reflexe waren schnell und sicher, und im Umgang mit Klingen aller möglichen Art war sie schon immer sehr gut gewesen. Nachdem sie bei der Jagd erfolgreich war, lernte sie auch rasch, die Kadaver zu häuten und weiterzuverarbeiten.
Doch sie wirkte kleinlaut, ganz anders als die Ragger-Cat, die Han kannte. Der Stolz und der Starrsinn, deretwegen sie früher in Schwierigkeiten geraten war, waren jetzt einem schnippischen Verhalten gewichen, das an einen Hund erinnerte, der zu oft getreten worden war.
Dancer gegenüber verhielt sie sich weiterhin ablehnend, weil er das Verbrechen begangen hatte, zu einem Clan zu gehören. Es kam Han wie Ironie vor, dass ausgerechnet Cat, die selbst von den Südlichen Inseln stammte, die Einstellungen des Vales so sehr übernommen hatte. Er fragte sich, warum Menschen, die getreten worden waren, manchmal einfach nur selbst auf jemanden treten wollten.
Sie reisten immer bei Nacht. Kurz vor der Morgendämmerung suchten sie sich einen geschützten Platz, an dem sie den Tag verbringen konnten. Han und Cat stellten ein paar Fallen auf, während Dancer das Lager errichtete und ein Feuer in Gang brachte. Dann aßen sie etwas, schliefen ein paar Stunden, standen auf und holten ihre Bücher hervor.
Dancer wechselte oft zwischen dem Buch der Demonai über die Herstellung von Zauberstücken und dem über magische Formeln hin und her. Han versuchte, sich die Zaubersprüche zu merken und sein Amulett zu beherrschen. Manchmal schaffte er es, dass es genau das tat, was er wollte, machmal versagte er, aber zumindest gab es keine
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