Das Exil Der Königin: Roman
hatte. Der Absatz war zwar geräumiger, aber an beiden Flurenden verlief die Decke ebenso schräg wie das Dach.
Blevins ging den dunklen Flur rechter Hand entlang; es war, als würde er den Weg mit seinem bloßen Instinkt finden. Am Ende des Korridors befanden sich zwei Türen, eine auf jeder Seite. Er zog einen großen Schlüssel aus der Tasche seines Gewands, öffnete die Türen und stieß sie auf.
»Die Türen werden nie abgeschlossen, damit der Hauswart sich die Zimmer zur Überprüfung ansehen kann«, sagte er und starrte Cat finster an – für den Fall, dass sie nicht begriff, was er damit sagen wollte.
Han umklammerte das Amulett fester. »Nie abgeschlossen? Aber was ist mit …«
»Die Studenten sollten ihre Wertsachen besser zu Hause lassen«, bellte Blevins. »Die Einjährigen teilen sich ein Zimmer zu zweit, aber da ihr die letzten beiden seid und diese Zimmer hier kleiner sind als die meisten anderen, bekommt jeder von euch ein eigenes. Die Waschräume sind im dritten Stock.«
»Wir haben jeder ein eigenes Zimmer?« Han wippte vor Überraschung auf den Fersen hin und her.
»Spar dir deine Aufregung«, brummte Blevins und wischte sich seine Nase endlich mit dem Ärmel ab.
Han sah sich die beiden Zimmer an, die einander vollkommen ähnelten. Sie waren klein, hatten ein schräges Dach und waren regelrecht in den Giebel hineingebaut worden. Jedes Zimmer hatte ein Fenster aus Bleiglas gegenüber der Tür.
Han nahm das Zimmer auf der linken Seite und legte sein Gepäck, die Bücher und den Beutel mit Wäsche auf die mit Stroh gefüllte Matratze, die sich auf dem Bett befand.
Cat machte Anstalten, ihm zu folgen, aber Blevins hielt sie mit lautem Gebrüll davon ab: »Mädchen bleiben im Flur!«
Die Luft war selbst so spät im Jahr noch abgestanden und stickig, und Han wusste, dass es im Sommer unerträglich heiß sein würde.
Ein kleiner Kamin war in die Außenmauer eingelassen; daneben befand sich ein Stapel abgelagertes Holz. Han konnte sich nur schwer vorstellen, dass er es jemals zum Heizen brauchen würde.
Das Bett nahm den größten Teil des Zimmers ein. Wenn er quer auf dem Bett lag, würde er gleichzeitig mit dem Kopf an die eine Wand stoßen können und mit den Zehen an die andere. Eine Truhe am Fußende des Bettes bot mehr als ausreichend Platz für seine Habseligkeiten. Direkt unter dem Fenster standen ein Tisch und ein gerader Stuhl, sodass er sich das Tageslicht zunutze machen konnte, wenn er lernte. Zum Waschen gab es einen Krug und eine Schüssel, und der Steinboden war mit einem geflochtenen Teppich ausgelegt.
Allerdings gefiel Han nicht, dass es nur einen einzigen Weg gab, der hinein- und hinausführte, und zwar den über die Treppe. Allerdings wirkte das Fenster groß genug, um sich hindurchzuschieben. Aber das würde er später ausprobieren, wenn Blevins weg war. Er schob den Fensterflügel etwas auf und ließ frische, regengesäuberte Luft und auch ein paar Tropfen Wasser herein. Er tastete mit den Fingerspitzen über das echte Glas in den Fenstern. Ein Dachüberhang hielt den größten Teil der Nässe draußen, machte es aber auch schwerer, zum Dach darüber hinauf zu klettern.
Han grinste und schüttelte den Kopf. Alles in allem war dies der vornehmste Ort, an dem er jemals gewohnt hatte. Er war verblüfft, dass bloße Studenten in einem solchen Zimmer wohnen durften und dass sie in einem Bett schlafen durften, ganz zu schweigen davon, dass sie einen Raum für sich hatten.
Er machte den Beutel auf, den Blevins ihm gegeben hatte. Es waren Baumwolllaken und Decken darin, außerdem ein üppiges Federkissen, ein Stück Schmierseife zum Waschen und zwei Mystwerk-Gewänder aus dunkler karmesinroter Wolle – die es nur in einer einzigen Größe gab, wie es schien. Er strich über den schönen Stoff und legte das Gewand zur Seite, um es später anzuprobieren.
Dann kehrte er in den Flur zurück, wo Dancer mit Cat und Blevins auf ihn wartete. Blevins, so schien es, ging nirgendwohin, so lange ein Mädchen im vierten Stock war.
»Wo können wir jetzt noch etwas zu essen bekommen?«, fragte Han den Hauswart, der seine Augen immer noch zusammenkniff, als würde er damit rechnen, doch noch Klagen über die Unterbringung zu hören.
»Der Speisesaal ist auf der anderen Seite des Hofs, bei den Küchen«, sagte Blevins. »Er steht ganz Mystwerk und der Tempelschule zur Verfügung. Man kennt eure Namen dort. Die Essenszeiten stehen unten im Gemeinschaftsraum, und wenn man zu spät kommt,
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