Das Experiment
Kim.
»Stimmt, ich bin regelrecht in Ekstase«, gab Edward zu. »In dem Moment, in dem mir klar wurde, daß wir drei völlig unbekannte Alkaloide entdeckt hatten, hat meine Intuition mir gesagt, daß ich einen dicken Fisch an der Angel habe. Ich wußte damals nur noch nicht, wie dick er tatsächlich ist.«
»Hast du keine Angst, daß du mit Harvard Ärger bekommst?« fragte Kim. »Du hast doch diese Erklärung unterschrieben. Es gab hier mal eine ähnliche Geschichte, die für einen ziemlichen Wirbel gesorgt hat; in den achtziger Jahren hat man oft den Vorwurf gehört, daß die Wissenschaft und die Industrie ein bißchen zu eng zusammenarbeiteten.«
»Das Problem überlasse ich gerne den Anwälten«, entgegnete Edward.
»Na, ich weiß nicht«, sagte Kim; seine Äußerung überzeugte sie wenig. »Auch wenn du die Sache von Anwälten regeln läßt – deine akademische Karriere wird mit Sicherheit darunter leiden.« Sie wußte, wieviel Edward seine Vorlesungen bedeuteten, und sie machte sich Sorgen, daß sein Urteilsvermögen wegen der plötzlichen Begeisterung für die neue Firma gelitten haben könnte.
»Ich weiß, daß ich ein Risiko eingehe«, gab Edward zu. »Aber ich bin bereit, dieses Risiko einzugehen. Ultra bietet mir eine einmalige Chance. Ich kann mir weltweit einen Namen machen und gleichzeitig einen Haufen Geld verdienen.«
»Hast du nicht immer gesagt, es interessiert dich nicht, Millionär zu werden?« fragte Kim.
»Hat es mich auch nicht«, entgegnete Edward. »Aber jetzt steht eine Milliarde auf dem Spiel. Mir war nie richtig klar, um wieviel Geld es tatsächlich geht.«
Kim war sich nicht sicher, ob der Unterschied wirklich so groß war, doch sie sagte nichts. Hier ging es um eine ethische Frage, und sie hatte im Moment keine Lust, mit Edward darüber zu diskutieren.
»Es tut mir leid, daß ich das mit der alten Mühle vorgeschlagen habe, ohne vorher mit dir darüber zu sprechen«, sagte Edward. »Normalerweise posaune ich nicht einfach gleich alles heraus, was mir so in den Kopf kommt. Wahrscheinlich ist es mir nach der anregenden Unterhaltung mit Stanton einfach so herausgerutscht.«
»Ist schon okay«, sagte Kim. »Außerdem war mein Bruder ja von der Idee begeistert. Mit der Miete können wir die gesamten Grundsteuern bezahlen. Und die sind astronomisch hoch.«
»Wenigstens ist die Mühle weit genug vom Cottage entfernt«, bemerkte Edward. »Wir werden von der Existenz des Labors wahrscheinlich gar nichts merken.«
Sie verließen den Memorial Drive und bogen in ein ruhiges Wohngebiet ein. Edward lenkte den Wagen auf seinen Parkplatz und stellte den Motor ab. Dann schlug er sich mit der Hand vor den Kopf.
»Mein Gott, bin ich blöd«, schimpfte er. »Wir hätten doch gleich bei dir vorbeifahren können, um deine Sachen zu holen.«
»Willst du, daß ich heute bei dir übernachte?«
»Natürlich«, erwiderte Edward. »Du schläfst doch gerne bei mir – oder?«
»Du bist in letzter Zeit immer so beschäftigt gewesen«, sagte Kim. »Ich wußte nicht, was du heute vorhast.«
»Wenn du hierbleibst, können wir morgen früh gleich nach Salem fahren«, versuchte Edward sie zu überzeugen. »Wir könnten ganz zeitig aufstehen.«
»Du willst also wirklich mit mir nach Salem fahren?« fragte Kim. »Mußt du nicht ins Labor?«
»Aber nein«, entgegnete Edward. »Und nachdem wir entschieden haben, das neue Labor auf deinem Grundstück einzurichten, will ich auf jeden Fall hin.« Während er das sagte, startete er den Motor wieder und legte den Rückwärtsgang ein. »Am besten fahren wir doch noch mal bei dir vorbei, und du holst ein paar Sachen zum Wechseln. Natürlich nur, wenn du bleiben möchtest – was ich mir wirklich wünsche.« Im Halbdunkel verzog er sein Gesicht zu einem breiten Grinsen.
»Ich glaube schon«, erwiderte Kim. Sie hatte plötzlich ein komisches Gefühl, ohne genau zu wissen, warum.
Kapitel 8
Samstag, 30. Juli 1994
Kim und Edward brachen später auf als geplant. Das lag vor allem an Edward, der den halben Vormittag am Telefon verbracht hatte. Zuerst hatte er George Harris und Mark Stevens angerufen und die beiden Männer gebeten, sich auch um den Umbau der alten Mühle zu kümmern. Sie hatten den Auftrag bereitwillig angenommen und vorgeschlagen, sich gegen Mittag mit Edward und Kim auf dem Gelände zu treffen. Danach hatte er etliche Vertreter von Laboreinrichtern angerufen und auch sie gebeten, sich gegen Mittag bei der alten Mühle
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