Das Experiment
wollte Edward wissen.
»Sofort«, erwiderten beide wie aus einem Mund.
»Ich hoffe nur, daß meine kleine Baustelle nicht unter diesem neuen Projekt leiden wird«, meldete sich Kim nun zum ersten Mal zu Wort.
»Keine Sorge«, versuchte George sie zu beruhigen. »Die Arbeiten im Cottage werden dadurch höchstens noch beschleunigt. Wir werden demnächst mit einer größeren Truppe hier anrücken, so daß dann sämtliche Handwerker ständig präsent sind. Wenn also bei Ihnen drüben ein Klempner oder ein Elektriker gebraucht wird, dann sind sie nur einen Katzensprung von Ihrer Baustelle entfernt.«
Während Edward sich mit dem Bauunternehmer, dem Architekten und den verschiedenen Vertretern der medizinischen Ausstattungsfirmen an einen Tisch setzte, um die Einzelheiten für die Einrichtung des neuen Labors zu besprechen, ging Kim nach draußen. Es war ein bißchen diesig, doch die Mittagssonne war so intensiv, daß sie blinzeln mußte. Sie ging über das Feld zum Cottage hinüber, um nachzusehen, wie es mit den Renovierungsarbeiten voranging.
Als sie sich dem Haus näherte, registrierte sie als erstes, daß der Graben wieder zugeschüttet war. Zufrieden stellte sie fest, daß die Arbeiter Elizabeths Grabstein wieder an Ort und Stelle gelegt hatten; er lag flach über dem Grab, genauso wie sie ihn gefunden hatte.
Kim betrat ihr Cottage. Nach der Besichtigung des riesigen Stalls kam es ihr winzig vor. Die Arbeiten waren gut vorangeschritten; vor allem in der Küche und in den beiden Badezimmern war einiges geschehen. Zum ersten Mal konnte sie sich vorstellen, wie es hier aussehen würde, wenn alles fertig wäre.
Nachdem sie ihr zukünftiges Zuhause auch noch einmal von außen begutachtet hatte, ging sie wieder hinüber zur Mühle, doch dort deutete nichts darauf hin, daß Edward seine improvisierte Planungsbesprechung in absehbarer Zeit beenden würde. Kim unterbrach ihn kurz und sagte, daß sie noch mal in der Burg vorbeischauen wolle. Er wünschte ihr ein paar schöne Stunden und war sofort wieder in die Diskussion vertieft.
Als Kim aus dem grellen Sonnenlicht in die düstere, mit schweren Vorhängen abgedunkelte Burg trat, hatte sie das Gefühl, eine andere Welt zu betreten. Sie blieb stehen und horchte, wie das alte Gebälk in der Hitze ächzte und knarrte.
Sie stieg die Treppe zum Dachboden hinauf und öffnete zuerst alle Mansardenfenster, um die frische Brise hereinzulassen, die vom Fluß herüberwehte. Neben dem letzten Fenster entdeckte sie ein Regal, in dem sich stapelweise in Leinen gebundene Bücher befanden.
Sie nahm einen der dicken Bände in die Hand und betrachtete neugierig den Buchrücken. Der Titel stand handschriftlich in weißer Tinte auf einem schwarzen Hintergrund: »Seehexe«. Kim schlug neugierig das Buch auf. Zuerst dachte sie, es handele sich um ein Tagebuch, denn alle Eintragungen begannen mit dem täglichen Datum; es folgten ausführliche Beschreibungen der Wetterverhältnisse. Ihr wurde schnell klar, daß es sich nicht um ein Tagebuch, sondern um das Logbuch eines Schiffs handeln mußte.
Als sie den vorderen Buchdeckel aufklappte, sah sie, daß das Buch die Jahre zwischen 1791 und 1802 umfaßte. Sie legte das Logbuch zur Seite und inspizierte die Buchrücken der übrigen Bände. Es gab sieben weitere Bücher mit dem Titel »Seehexe«. Das älteste Logbuch umfaßte die Jahre 1737 bis 1749.
In der Hoffnung, vielleicht auch andere Bücher aus dem siebzehnten Jahrhundert zu finden, sah Kim die anderen Stapel in der Nähe des Fensters durch. Als erstes fiel ihr ein kleinerer Stoß ins Auge; sie zog ein sehr alt aussehendes, unbeschriftetes, in Leder gebundenes Buch heraus.
Das Buch war so abgenutzt und verstaubt, daß ihr sofort wieder die Bibel einfiel, die sie im Weinkeller entdeckt hatte. Sie öffnete es und las die Titelseite. Es war das Logbuch der Endeavor, und es enthielt Eintragungen aus den Jahren 1679 bis 1703. Vorsichtig blätterte Kim die vergilbten Seiten um; sie überflog die einzelnen Eintragungen, bis sie schließlich bei dem Jahr 1692 angelangt war.
Die erste Eintragung datierte auf den vierundzwanzigsten Januar. Sie las, daß es ein klarer und kalter Wintertag mit angenehmem Westwind gewesen war. Ferner war festgehalten worden, daß das Schiff mit der Flut ausgelaufen war und Kurs auf Liverpool genommen hatte; folgende Güter hatte es geladen: Walöl, Holz, Schiffsvorräte, Pelze, Pottasche, getrockneten Kabeljau und Makrelen.
Plötzlich stockte Kim der Atem. Im
Weitere Kostenlose Bücher