Das Experiment
beseelt, daß das gegen Elizabeth verwandte Beweisstück wegen seiner Einzigartigkeit und seiner Eindeutigkeit, mit der es objektiv und ohne jeden Zweifel ein wahrhaftiges Bündnis mit dem Teufel und nicht nur eine böse Absicht zu belegen vermag, für künftige Generationen aufbewahrt werden sollte, damit diese in ihrem ewigen Kampf mit den Mächten des Bösen vielleicht Nutzen daraus ziehen mögen. Um in dieser Angelegenheit eine nach menschlichem Ermessen vernünftige Lösung zu finden, habe ich unzählige Dispute mit meinem hochverehrten Vater, dem Reverend Increase Mather, geführt, der die Ehre hat, in diesen Tagen dem angesehenen Harvard College als Rektor dienen zu dürfen. Nach langem Ringen ist in uns beiden der Entschluß gereift, das Beweisstück im College aufzubewahren, damit es künftigen Generationen von Studenten bei ihrer Heranreifung und ihrer Charakterbildung ein anschauliches Beispiel dafür bieten möge, wie wichtig es ist, dem Teufel bei seiner ständigen Wühlarbeit in Gottes neuem Land immer wieder einen Strich durch die Rechnung zu machen.
Ihr unermüdlich im Namen Gottes dienender
Cotton Mather
Kim war sich nicht sicher, ob sie den Brief richtig verstanden hatte, doch das Wesentliche hatte sie erfaßt. Sie nahm sich den letzten Brief vor. Ein Blick auf die Unterschrift verriet ihr, daß Increase Mather der Absender war.
11. November 1692
Cambridge
Sehr geehrter Herr,
wie ich Ihnen versichern kann, hege ich eine tiefe Sympathie für Ihr berechtigtes Begehren, daß das obengenannte Beweisstück zurückgegeben und Ihnen zu Ihrer freien Disposition überlassen wird, aber durch die beiden Mitglieder unseres Lehrkörpers, William Brattle und John Leverett, bin ich darüber in Kenntnis gesetzt worden, daß das Beweisstück in der Studentenschaft auf ein außergewöhnliches Interesse gestoßen ist und eine leidenschaftliche und lebhafte Debatte angeregt hat, was uns in unserer Überzeugung bestärkt hat, daß es offenbar Gottes Wille ist, die Hinterlassenschaft von Elizabeth in Harvard zu belassen, da sie ein wichtiges und einmaliges Beispiel dafür bietet, wie sich das Kirchenrecht im Hinblick auf die Hexerei und das verdammenswerte Werk des Teufels durchaus auf objektive Kriterien zu stützen vermag. Ich bitte Sie inständig darum, sich unserer Auffassung anzuschließen, daß dieses Beweisstück von enormer Wichtigkeit ist und unbedingt in unserer Sammlung außerordentlicher Lehrexponate verbleiben sollte. Für den Fall, daß die hochverehrten Lehrer irgendwann übereinkommen sollten, hier eine Fakultät für Rechtswissenschaften einzurichten, so werden wir das Beweisstück dieser Einrichtung zu weiteren Lehrzwecken überlassen.
Ihr ergebenster Diener
Increase Mather
»Verdammter Mist!« fluchte Kim, nachdem sie den dritten Brief gelesen hatte. Sie konnte es einfach nicht fassen; da hatte sie schon das Glück gehabt, so viele Hinweise auf das gegen Elizabeth verwendete Beweisstück zu finden, und jetzt wußte sie immer noch nicht, um was es sich dabei gehandelt hatte. Um sicherzugehen, daß sie auch wirklich nichts übersehen hatte, las sie alle Briefe noch einmal durch. Die gespreizte Syntax und die ungewöhnliche Wortwahl erschwerten das Verständnis ein wenig, doch nach dem zweiten Lesen wußte sie, daß sie wirklich nichts übersehen hatte.
Die Briefe hatten ihre Phantasie beflügelt, und sie zermarterte sich den Kopf darüber, was zum Teufel sich hinter diesem offenkundigen Beweisstück verbarg. In den vergangenen Wochen hatte sie weitere Bücher über die Hexenprozesse von Salem verschlungen und war nun immer mehr davon überzeugt, daß es sich um irgendeine Art von Buch handeln mußte. In den Prozessen war es oft um ein sogenanntes Teufelsbuch gegangen. Man war davon ausgegangen, daß die mutmaßlichen Hexen ihren Bund mit dem Teufel besiegelten, indem sie diese Teufelsbücher schrieben.
Kim sah sich die Briefe noch einmal an; das Beweisstück war mit den Worten »Elizabeths Teufelswerk« umschrieben worden. Vielleicht hatte Elizabeth ein Buch in einen Anstoß erregenden Ledereinband gebunden? Kim mußte über sich selbst lachen. Obwohl sie sich das Hirn zermarterte, wollte ihr einfach nichts einfallen.
Dann ging ihr wieder durch den Kopf, ob das Beweisstück nicht doch eine Puppe gewesen sein könnte. Vor ein paar Tagen erst hatte sie gelesen, daß im Prozeß gegen Bridget Bishop eine mit Nadeln gespickte Stoffpuppe als Beweismittel verwendet worden
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