Das Experiment
war; Bridget war die erste Frau gewesen, die man in Salem als Hexe hingerichtet hatte.
Kim seufzte. Sie wußte, daß ihre wüsten Spekulationen über die Beschaffenheit des Beweisstücks sie nicht weiterbringen würden. Sie sollte sich lieber an die Fakten halten. Immerhin lieferten die drei Briefe einen sehr wichtigen Hinweis: Das Beweisstück war 1692 der Harvard University übergeben worden. Kim überlegte, ob in der Uni vielleicht noch ein Hinweis auf das Beweisstück zu finden sei. Aber wahrscheinlich würde man sie auslachen, wenn sie ihr Anliegen dort vorbrächte.
»Da bist du ja«, rief Edward vom oberen Treppenabsatz in den Keller hinunter. »Hast du etwas gefunden?«
»Du wirst es nicht glauben, ja«, rief Kim zurück. »Komm runter, und sieh es dir an.«
Edward kam die Stufen herunter und nahm die Briefe in die Hand. »Mein Gott!« staunte er, nachdem er einen Blick auf dieUnterschriften geworfen hatte. »Die Briefe sind ja alle von berühmten Puritanern geschrieben. Was für eine Entdeckung!«
»Lies sie dir mal durch!« forderte Kim ihn auf. »Sie sind zwar hochinteressant, aber über das Beweisstück geben sie leider keinen Aufschluß.«
Edward lehnte sich gegen einen Aktenschrank und las.
»Phantastisch!« sagte er, als er zu Ende gelesen hatte. »Ich wette, daß die Harvard University an diesen Briefen brennend interessiert sein dürfte, vor allem an dem von Increase Mather.«
»Ach, meinst du wirklich«, sagte Kim erfreut. »Ich würde nämlich gerne in der Uni nach dem Beweisstück forschen. Aber ich habe Angst, daß man mich auslacht. Vielleicht kann ich ihnen ja einen Tausch anbieten.«
»Sie werden dich bestimmt nicht auslachen«, sagte Edward. »Ich bin sicher, daß es in der Widener-Bibliothek jemanden gibt, der die Geschichte toll findet. Natürlich würden sie nicht nein sagen, wenn du ihnen die Briefe schenken würdest, aber vielleicht bieten sie dir sogar an, sie zu kaufen.«
»Kannst du dir vielleicht jetzt, nachdem du die Briefe gelesen hast, eher vorstellen, um was für ein Beweisstück es sich gehandelt haben könnte?«
»Nein, nicht so richtig«, bekannte Edward. »Aber ich kann verstehen, daß du frustriert bist. Es ist ja beinahe nicht mehr normal, wie oft das Beweisstück erwähnt wird, ohne daß es auch nur ein einziges Mal näher beschrieben wird.« Er nahm sie in den Arm.
»Wir sind übrigens mit unserer Besprechung fertig. Was das neue Labor angeht, ist alles bestens geregelt. Dein Bauunternehmer ist wirklich ein fähiger Mann. Er will heute noch anfangen, einen Graben auszuheben.«
»Willst du gleich zurückfahren?« fragte Kim.
»Würde ich gerne«, gab Edward zu. »Da das Omni-Projekt ja nun bald Realität werden soll, gibt es jede Menge Leute, mit denen ich dringend sprechen muß. Aber ich kann gut mit dem Zug fahren. Wenn du hier weiter herumstöbern willst, kommst du später mit dem Auto nach.«
»Einverstanden«, erwiderte Kim. »Wenn es dir nichts ausmacht.« Die Entdeckung der Briefe hatte ihr neuen Auftrieb gegeben.
Kapitel 9
Freitag, 12. August
Der August begann mit einer schwülen Hitzewelle. Es hatte schon im Juli kaum geregnet, und die Trockenheit schien weiterhin anzuhalten. Der Rasen im Boston Commons wechselte allmählich seine Farbe; wenn Kim aus ihrem Apartment schaute, sah sie nur noch braunes Gras.
Im Krankenhaus hatte sie es im Moment etwas leichter. Kinnard hatte mit seiner zweimonatigen Hospitanz in Salem begonnen, so daß ihr nicht ständig die Angst im Nacken saß, ihm auf der Intensivstation über den Weg zu laufen. Außerdem hatte sie mit ihrer Vorgesetzten verhandelt und schließlich erreicht, daß sie den ganzen September frei nehmen konnte. Da sie nicht genügend Urlaubstage hatte, waren ihr die fehlenden Tage als unbezahlte Freizeit gewährt worden. Ihre Vorgesetzte war zwar nicht gerade glücklich mit dieser Lösung, doch sie war bereit, einen Kompromiß einzugehen, um Kim nicht zu verlieren.
Am Anfang des Monats hatte Kim viel Zeit für sich selbst, da Edward ständig unterwegs war. Im ganzen Land führte er vertrauliche Einstellungsgespräche für Omni Pharmaceuticals. Doch während seiner Reisen vergaß er nie, Kim anzurufen. Trotz seines engen Terminplans telefonierten sie jeden Abend gegen zehn Uhr, kurz bevor sie schlafen ging. Er schickte ihr auch weiterhin Blumen, allerdings nicht mehr ganz so große Sträuße. Jeden Tag erhielt sie eine einzelne Rose – eine Geste, die Kim für etwas angemessener
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