Das Experiment
Tage zuvor gesagt hatte, die Gruppe esse jetzt aus Zeitgründen gemeinsam im Labor. Er hatte auch gesagt, daß sie erstaunlich schnell vorankämen.
Kim verbrachte den Vormittag im Cottage. Nachdem sie eine Woche lang unschlüssig gewesen war, hatte sie jetzt die Wahl fürdie Tagesdecken und die Vorhänge für die beiden Schlafzimmer im Obergeschoß getroffen. Einen Zettel mit der Stoffnummer in der Hand, rief sie eine Freundin in Boston an und ließ sie die Bestellung aufgeben.
Nachdem sie zu Mittag einen leichten Salat und ein Glas Eistee zu sich genommen hatte, ging Kim hinüber zur Burg. Als sie das alte Gemäuer betreten hatte, sah sie sich vor die jeden Tag aufs neue zu treffende Entscheidung gestellt, ob sie den Nachmittag im Weinkeller oder im Dachgeschoß verbringen wollte. Das Dachgeschoß bekam schließlich wegen des Sonnenscheins den Zuschlag. Es würde noch genug düstere Regentage geben, an denen sie sich im Weinkeller aufhalten konnte.
Im hintersten Winkel des Dachbodens machte sie sich ans Werk. Kim war inzwischen ziemlich geschickt im Entziffern der alten Handschriften, und meistens reichte ein Blick auf das Titelblatt, um das jeweilige Schriftstück in den richtigen Karton zu legen. Am späten Nachmittag fand sie einen an Ronald Stewart adressierten Brief. Ein Blick auf den Absender ließ ihre Hoffnung steigen. Es war ein weiterer Brief von Samuel Sewall, den sie aus einem Umschlag zog.
8. Januar 1697
Boston
Mein lieber Freund,
wie Dir zweifellos bekannt ist, haben der Ehrenwerte Lieutenant-Governor sowie Rat und Versammlung Seiner Majestät der Provinz der Massachusetts Bay in allgemeiner Gerichtssitzung festgesetzt, daß der folgende Donnerstag, der 14. Januar, als allgemeiner Fastentag begangen werden soll, als Buße für jegliche Sünden, wie sie gegen unschuldige Leute seitens des Satans und seiner Verbündeten in Salem begangen wurden. In gleicher Weise möchte ich eingedenk meiner Mitwirkung in der ehemaligen Kommission von Oyer und Terminer meine Schuld und Schande der Öffentlichkeit zur Kenntnis bringen und werde das in der Old-South-Church tun. Aber was ich Dir, mein Freund, sagen soll, um Dein Leid zu lindern, weiß ich nicht. Daß Elizabeth mit den Mächten des Bösen zu tun hatte, steht für mich außer Zweifel, aber ob sie besessen oder im Bund mit ihnen war, weiß ich nicht und möchte dazu auch angesichts meiner vergangenen Fehleinschätzungen nichts sagen. Was Deine Anfrage hinsichtlich der Aufzeichnungen des Gerichtshofes von Oyer und Terminer im allgemeinen und in bezug auf Elizabeths Prozeß in Sonderheit angeht, so kann ich bestätigen, daß erstere sich im Besitz des Reverend Cotton Mather befinden, der mir geschworen hat, daß sie nie in falsche Hände fallen werden, um den Charakter der Richter und Gerichtsbeamten nicht in Zweifel zu ziehen, die nach bestem Wissen gehandelt haben, wenn auch in vielen Fällen falsch. Ich glaube, obwohl ich nicht wagte nachzufragen und es auch nicht wissen will, daß Reverend Mather die Absicht hat, die besagten Aufzeichnungen zu verbrennen. Was meine Ansicht bezüglich des Angebots von Richter Jonathan Corwin betrifft, Dir alle Aufzeichnungen des Prozesses gegen Elizabeth, einschließlich der ursprünglichen Klageschrift, des Haftbefehls und der Aussagen in den vorläufigen Vernehmungen, zu übergeben, so glaube ich, daß Du diese Akten haben und sie in gleicher Weise beseitigen solltest, damit nicht künftige Generationen Deiner Familie befürchten müssen, daß diese Tragödie an die Öffentlichkeit gelangt, die durch Elizabeths Taten ins Rollen gebracht oder begünstigt wurde.
Dein Freund in Christi Namen
Samuel Sewall
»Großer Gott!« schimpfte Edward. »Manchmal ist es wirklich schwierig, dich zu finden.«
Kim blickte von dem Sewall-Brief auf und sah Edward vor sich stehen. Sie war zum Teil von einem der schwarzen Aktenkästen verdeckt.
»Stimmt etwas nicht?« fragte Kim nervös.
»Ja, allerdings«, sagte Edward. »Ich suche dich jetzt schon seit einer halben Stunde. Ich hatte angenommen, daß du in der Burg bist, und war hier oben und habe nach dir gerufen. Als ich keine Antwort erhielt, bin ich in den Weinkeller gegangen und habe dich dort gesucht. Es ist wirklich lächerlich. Wenn du schon soviel Zeit hier verbringen mußt, dann laß wenigstens ein Telefon installieren.«
Kim richtete sich auf. »Tut mir leid«, sagte sie. »Ich habe nichts gehört.«
»Das kann ich mir denken«, sagte Edward. »Hör zu.
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