Das Experiment
sollen. Trotzdem weiß ich nicht recht, was mein Vater oder mein Bruder sagen werden, wenn sich hier fünf Fremde breitmachen.«
»Sehen wir uns doch einmal die Zimmer an, wo sie schlafen sollen«, schlug Kinnard vor.
Sie inspizierten die beiden Flügel. In jedem waren vier Schlafzimmer, jedes mit einer eigenen Treppe und einer eigenen Außentür.
»Bei den separaten Eingängen und Treppen brauchen sie gar nicht durch das Hauptgebäude zu gehen«, meinte Kinnard.
»Ja, das hat etwas für sich«, sagte Kim. Sie standen in einem der Dienstbotenzimmer. »Vielleicht ist es gar nicht so schlimm. Die drei Männer können in diesem Flügel wohnen und die beiden Frauen drüben im Gästeflügel.«
Kinnard steckte den Kopf in das Bad, das zwei Räume verband. »Oh, oh!« sagte er. »Kim, komm mal her!«
»Was gibt’s denn?«
Kinnard deutete auf die Toilette. »Kein Wasser«, sagte er. Er beugte sich über das Waschbecken und drehte den Hahn auf. Kein Wasser. »Irgendein Installationsproblem.«
Sie überprüfen die anderen Badezimmer im Dienstbotenflügel und stellten fest, daß nirgends Wasser lief. Sie schauten im Gästeflügel nach, aber dort war alles in Ordnung.
»Ich werden den Installateur rufen müssen«, sagte Kim.
»Es könnte auch etwas ganz Einfaches sein, vielleicht hat bloß jemand das Wasser abgedreht«, meinte Kinnard.
Sie verließen den Gästeflügel, und auf dem Weg zurück sagte Kinnard: »Das Peabody-Essex-Institut wäre von diesem Haus begeistert.«
»Wenn die erst das, was auf dem Dachboden und im Weinkeller liegt, sehen könnten«, sagte Kim. »Massenhaft alte Papiere, Briefe und Dokumente, die ältesten sind dreihundert Jahre alt.«
»Das muß ich sehen«, sagte Kinnard. »Macht es dir etwas aus?«
»Überhaupt nicht«, sagte Kim. Sie stiegen die Treppe hinauf, und Kim öffnete die Tür. »Willkommen im Stewart-Archiv«, sagte sie.
Kinnard trat ein und schaute sich um. Er schüttelte den Kopf. Er war baff. »Als Junge habe ich Briefmarken gesammelt«, sagte er. »Damals habe ich oft davon geträumt, einmal so etwas zu finden. Wer weiß, welche Schätze hier verborgen liegen?«
»Im Keller liegt noch einmal die gleiche Menge«, sagte Kim, der Kinnards Begeisterung gefiel.
»Ich könnte hier locker einen Monat verbringen«, sagte Kinnard.
»Das habe ich praktisch getan«, erklärte Kim. »Ich habe nach Hinweisen auf eine meiner Vorfahren gesucht. Elizabeth Stewart; sie war 1692 in diesen Hexenwahnsinn geraten.«
»Ganz ehrlich«, sagte Kinnard, »mich fasziniert das. Wie du vielleicht noch weißt, hatte ich auf dem College amerikanische Geschichte als Hauptfach belegt.«
»Das hatte ich ganz vergessen«, sagte Kim.
»In den letzten beiden Monaten habe ich die meisten Orte besucht, die mit dieser Hexengeschichte zu tun hatten«, erklärte Kinnard. »Meine Mutter hat mich einmal besucht, und wir sind gemeinsam hingefahren.«
»Warum hast du nicht die Blonde aus der Nachbarschaft mitgenommen?« fragte Kim, ehe sie richtig darüber nachgedacht hatte.
»Das ging nicht«, sagte Kinnard. »Sie hatte Heimweh und ist wieder nach Hause zurück. Wie läuft’s denn bei dir? Die Sache mit Dr. Armstrong scheint sich ja gut zu entwickeln.«
»Die hat ihre Licht- und Schattenseiten«, meinte Kim vage.
»Was hatte eigentlich deine Vorfahrin mit dieser Hexerei zu tun?« fragte Kinnard.
»Man hat ihr den Prozeß als Hexe gemacht«, sagte Kim. »Und sie ist hingerichtet worden.«
»Wieso hast du mir nie davon erzählt?« fragte Kinnard.
»Weil ich an einem Vertuschungsmanöver beteiligt war«, sagte Kim und lachte. »Nein, ernsthaft: Meine Mutter hatte mir eingeschärft, nicht darüber zu reden. Aber das hat sich geändert. Jetzt bin ich damit beschäftigt, ihrem Fall auf den Grund zu gehen, und es ist für mich zu einer Art Kreuzzug geworden.«
»Schon irgendwie fündig geworden?« fragte Kinnard.
»Ein wenig«, nickte Kim. »Aber hier liegt so viel Material, und es hat mich mehr Zeit gekostet, als ich erwartet hatte.«
Kinnard legte die Hand auf eine Schublade und sah Kim an. »Darf ich?« fragte er.
»Nur zu«, sagte Kim.
Wie die meisten Schubladen war auch diese mit einem Durcheinander von Papieren, Umschlägen und Heften gefüllt. Kinnard wühlte darin herum, fand aber keine Briefmarken. Schließlich griff er nach einem der Umschläge und zog den Brief heraus. »Kein Wunder, daß da keine Briefmarken drauf sind«, sagte er. »Die sind schließlich erst Ende des neunzehnten Jahrhunderts
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