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Das Experiment

Das Experiment

Titel: Das Experiment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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erfunden worden. Und dieser Brief hier ist aus dem Jahre 1698!«
    Kim nahm den Umschlag. Er war an Ronald adressiert.
    »Du bist ein Glückspilz«, sagte sie. »Ich suche die ganze Zeit im Schweiße meines Angesichts nach solchen Briefen, und du kommst einfach hier herein und pickst ihn heraus.«
    »Freut mich, dir behilflich sein zu können«, sagte Kinnard und reichte ihr den Brief, den sie laut vorlas.
     
    12. Oktober 1698
    Cambridge
    Geliebter Vater,
     
    ich bin zutiefst dankbar für die zehn Shilling, weil ich in jenen harten Tagen der Anpassung an das Leben auf dem College in bitterer Not war. Ich möchte gern in aller Demut berichten, daß mir in dem Vorhaben, über das wir vor meiner Immatrikulation viel debattiert hatten, Erfolg beschieden war. Nach langer und mühsamer Suche fand ich das Beweisstück, daß unserer lieben verblichenen Mutter zum Verhängnis geworden ist. Ich fand es in den Räumen eines unserer hochgeschätzten Lehrer, der an seinem grausigen Wesen Gefallen gefunden hatte. Es hat mich zunächst beunruhigt, daß es so sichtbar zur Schau gestellt war, aber am letzten Dienstag, als wir uns am Nachmittag alle in die Mensa zurückzogen, hatte ich Gelegenheit, die besagten Räume zu besuchen, wo ich getreu Deiner Anweisung den Namen gegen den der fiktiven Rachel Bingham ausgetauscht habe. Ebenso habe ich denselben im Katalog in der Bibliothek der Harvard Hall eingetragen. Ich hoffe, lieber Vater, Du findest jetzt Trost, da der Name Stewart von der schlimmsten Schmach befreit ist. Im Hinblick auf meine Studien kann ich mit einiger Freude berichten, daß meine Rezitationen wohlwollende Aufnahme gefunden haben. Meine Zimmerkollegen sind gesund und von angenehmer Wesensart. Abgesehen von den niedrigen Diensten, die ich den älteren Schülern leisten muß und vor denen Du mich gebührend gewarnt hast, bin ich wohlauf und zufrieden.
     
    Dein Dich liebender Sohn
    Jonathan
     
    »Großer Gott!« sagte Kim, als sie zu Ende gelesen hatte.
    »Was ist denn?« fragte Kinnard.
    »Das ist dieses Beweisstück«, sagte Kim und deutete auf den Brief. »Das bezieht sich auf das Beweismaterial, das benutzt wurde, um Elizabeth schuldig zu sprechen. In einem Dokument, das ich im Bezirksgerichtsgebäude von Essex fand, wurde es als eindeutiger Beweis geschildert, der zu einem Schuldspruch führen mußte. Ich habe einige andere Hinweise darauf gefunden, aber was es tatsächlich war, wird nie gesagt. Herauszufinden, worum es sich handelt, ist das Hauptziel meiner Suche geworden.«
    »Und hast du eine Ahnung, was es sein könnte?« erkundigte sich Kinnard.
    »Ich glaube, daß es etwas mit Okkultismus zu tun hat«, sagte Kim. »Wahrscheinlich war es ein Buch oder eine Puppe.«
    »Nach Lektüre dieses Briefes würde ich sagen, daß es eher eine Puppe ist«, sagte Kinnard. »Ich weiß nicht, wie man ein Buch als ›grausig‹ ansehen kann. Der Schauerroman ist schließlich erst im neunzehnten Jahrhundert erfunden worden.«
    »Vielleicht war es ein Buch, in dem irgendein Hexentrank beschrieben wurde, zu dessen Zutaten Körperteile gehörten«, meinte Kim.
    »Daran hatte ich nicht gedacht«, räumte Kinnard ein.
    »In Elizabeths Tagebuch ist etwas von Puppen erwähnt«, sagte Kim. »Und in dem Urteil gegen Bridget Bishop haben Puppen eine Rolle gespielt. Ich könnte mir vorstellen, daß eine Puppe in der Weise ›grausig‹ sein könnte, daß sie entweder Verstümmelungen aufweist oder sexuelle Perversionen darstellt. Ich kann mir vorstellen, daß bei den Moralbegriffen der Puritaner viele Dinge, die irgendwie mit Sex zu tun haben, als grausig betrachtet wurden.«
    »Es ist ein weitverbreitetes Vorurteil, daß die Puritaner Sex grundsätzlich als sündhaft betrachteten«, sagte Kinnard. »Aber ich weiß aus meinen Geschichtsvorlesungen, daß sie Lügen und Egoismus stärker verdammten als vorehelichen Sex.«
    »Da sieht man, wie sich die Dinge seit der Zeit Elizabeths gewandelt haben«, meinte Kim schmunzelnd. »Was die Puritaner als schreckliche Sünde betrachteten, ist in der heutigen Gesellschaft akzeptiert und oft sogar hochgelobt. Man muß sich bloß einmal eine Regierungsanhörung im Fernsehen anschauen.«
    »Du hoffst also, das Rätsel um dieses Beweismaterial dadurch zu lösen, indem du all diese Papiere durchgehst?« sagte Kinnard mit einer weit ausholenden Handbewegung, die das ganze Dachgeschoß einschloß.
    »Hier und im Weinkeller«, sagte Kim. »Ich habe einen Brief von Increase Mather nach Harvard gebracht, in

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