Das Experiment
dich noch an den Kabeljau, den wir dort gegessen haben?«
Kim nickte. Edward leerte sein Bier.
Als sie im Wagen saßen und Kim einen Blick auf die Burg warf, dachte sie unwillkürlich an die Wissenschaftler und deren überschwengliches Verhalten.
»Die waren überglücklich«, sagte Edward. »Im Labor läuft alles gut, und jetzt fällt auch noch die Fahrerei weg.«
»Habt ihr schon angefangen, Ultra zu nehmen?« wollte Kimwissen.
»Aber natürlich«, erwiderte Edward. »Am Dienstag.«
Kim überlegte, ob sie Edward etwas über Kinnards Gedanken zu dem Thema sagen sollte, zögerte aber, weil sie wußte, daß Edward verstimmt reagieren würde, wenn er erführe, daß sie mit jemandem über das Projekt gesprochen hatte.
»Etwas Interessantes haben wir bereits herausgefunden«, fuhr Edward fort. »Das Gewebeniveau von Ultra muß unkritisch sein, weil alle eine positive Beeinflussung verspüren, obwohl wir völlig verschiedene Dosierungen genommen haben.«
»Könnte diese Euphorie, die ihr empfindet, etwas mit dem Mittel zu tun haben?« erkundigte sich Kim.
»Ganz sicher sogar«, nickte Edward. »Indirekt jedenfalls, vielleicht sogar direkt. Innerhalb von vierundzwanzig Stunden nach der ersten Einnahme fühlten wir uns alle entspannt, zuversichtlich, zielbewußt und sogar…« Edward suchte nach dem richtigen Ausdruck und meinte schließlich: »Zufrieden. Wir sind weit entfernt von der Beklemmung, der Müdigkeit und der Reizbarkeit, unter der wir vorher alle gelitten hatten.«
»Und was ist mit Nebenwirkungen?«
»Die einzige Nebenwirkung, die wir alle festgestellt haben,war am Anfang eine Trockenheit im Mund«, erklärte Edward. »Und zwei haben sich über leichte Verstopfung beklagt. Ich war der einzige, der ein wenig Sehbeschwerden im Nahbereich hatte, aber das dauerte nur vierundzwanzig Stunden, und das Problem hatte ich auch früher schon, besonders wenn ich müde wurde.«
»Vielleicht solltet ihr wieder aufhören, das Mittel zu nehmen, wo ihr doch jetzt schon soviel darüber wißt«, meinte Kim.
»Nein«, widersprach Edward. »Nicht, wenn wir so positive Ergebnisse erzielen. Ich habe dir sogar etwas mitgebracht, falls du es auch probieren willst.«
Edward griff in die Jackentasche, zog ein Röhrchen mit Kapseln heraus und hielt es Kim hin. Sie zuckte zurück.
»Nein, vielen Dank«, sagte sie.
»Um Gottes willen, nimm doch wenigstens das Röhrchen.«
Kim ließ widerstrebend zu, daß Edward ihr das Röhrchen in die Hand drückte.
»Denk mal darüber nach«, sagte Edward. »Erinnerst du dich an das Gespräch, das wir vor einer Weile hatten – über das Gefühl, nicht dazuzugehören? Also, mit Ultra wirst du dieses Gefühl nicht mehr haben. Ich nehme es jetzt noch nicht einmal eine Woche, und doch ist mein wahres Ich schon zutage getreten; der Mensch, der ich schon immer sein wollte. Ich finde, du solltest es probieren. Was hast du schon zu verlieren?«
»Der Gedanke, meine Persönlichkeit mit Hilfe von Präparaten zu verändern, beunruhigt mich«, sagte Kim. »Persönlichkeit soll sich aus Erfahrungen entwickeln, nicht aus Chemie.«
»Das klingt wie ein Gespräch, das wir schon einmal geführt haben«, lachte Edward. »Wahrscheinlich muß ich das als Chemiker etwas anders sehen. Aber du mußt tun, was du für richtig hältst. Ich kann dir nur garantieren, daß du dich selbst viel positiver empfinden wirst, wenn du es versuchst. Und das ist nicht alles. Wir glauben, daß Ultra auch das Langzeitgedächtnis fördert und Angstzustände und Erschöpfung mildert. Für den letztgenannten Effekt hatte ich heute früh eine gute Demonstration. Ich bekam einen Anruf aus Harvard, in dem man mir mitteilte, daß sie Klage gegen mich eingereicht haben. Ich wurde wütend, aber der Zorn hielt nur ein paar Minuten an. Ultra hat meine Wut gemildert, und statt hochzugehen und gegen die Wände zutrommeln, konnte ich rational über die Situation nachdenken und die richtigen Entscheidungen treffen.«
»Freut mich, daß es dir so hilft«, sagte Kim. »Aber ich will es trotzdem nicht nehmen.« Sie wollte Edward das Röhrchen zurückgeben, aber er schob ihre Hand weg.
»Behalt es«, sagte er. »Ich bitte dich ja nur darum, ernsthaft darüber nachzudenken. Nimm einfach eine Kapsel pro Tag, und du wirst staunen, was du über dich erfährst.«
Kim gab den Widerspruch auf; sie ließ das Röhrchen in ihre Handtasche fallen.
Später im Restaurant, als Kim auf der Toilette war, fiel ihr das Röhrchen wieder in die Hände. Sie
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