Das Experiment
Wände?« wunderte sie sich.
»Ich muß den Chef der Lizenzabteilung von Harvard anrufen«, beklagte sich Edward, ohne auf Kims Bemerkung einzugehen. »Dieser Typ führt jetzt einen persönlichen Rachefeldzug gegen mich.« Edward schlug sein Adreßbuch auf, um die Nummer herauszusuchen.
»Könnte es nicht sein, daß er einfach bloß seinen Job macht?« fragte Kim, wohl wissend, daß der Streit schon eine Weile im Gang war.
»Du meinst, er tut seinen Job, indem er mich suspendieren läßt?« schrie Edward. »Das ist unglaublich! Ich hätte nie gedacht, daß dieser Blödmann von einem Bürokraten den Mumm hätte, eine solche Schweinerei durchzuziehen.«
Kim spürte, wie ihr Herzschlag sich beschleunigte. Edwards Tonfall erinnerte sie in unangenehmer Weise an die Episode in seinem Apartment, wo er das Glas zerschmettert hatte. Sie wagte nicht, noch etwas zu sagen.
»Na schön«, sagte Edward plötzlich völlig ruhig. Er lächelte. »So ist eben das Leben. Wäre ja zu schön, wenn alles immer glattginge.« Er setzte sich und wählte die Nummer.
Kim ließ Edward nicht aus den Augen und hörte zu, wie er mit dem Mann, über den er sich gerade so aufgeregt hatte, eine äußerst zivilisierte Diskussion führte. Als er dann das Gespräch beendet hatte, sagte er, der Mann sei eigentlich ganz vernünftig.
»Wenn ich schon hier bin«, sagte Edward, »kann ich auch schnell die Sachen für die Reinigung holen.«
»Aber die Sachen sind doch schon hier«, sagte Kim. »Als ich heute morgen die Treppe runterkam, lagen die Sagen schon da.«
Edward blinzelte leicht verwirrt. »Tatsächlich?« staunte er. »Nun, ist ja prima! Ich sollte ohnehin schleunigst wieder ins Labor.«
»Edward?« rief Kim ihm nach, als er schon in der Haustür stand. »Fühlst du dich auch wirklich wohl? Du hast in letzter Zeit häufig irgendwelche Kleinigkeiten vergessen.«
Edward lachte. »Ja, stimmt«, sagte er. »Ich bin ein wenig vergeßlich. Aber ich habe mich nie wohler gefühlt. Ich bin nur manchmal ein wenig in Gedanken. Aber ich sehe bereits Licht am Ende des Tunnels – und wir werden alle ungeheuer reich werden. Das gilt auch für dich. Ich habe mit Stanton gesprochen, weil ich dir ein paar Aktien geben möchte, und er hat zugestimmt. Du wirst also auch was davon haben.«
»Ich bin geschmeichelt«, sagte Kim.
Dann ging sie ans Fenster und sah Edward nach, wie er zum Labor hinüberging. Er war ihr gegenüber jetzt insgesamt betrachtet wesentlich freundlicher, aber er war auch unberechenbarer geworden.
Sie griff impulsiv nach ihrem Autoschlüssel und fuhr in die Stadt. Sie mußte mit jemandem, dessen Meinung ihr etwas bedeutete, ein fachliches Gespräch führen. Glücklicherweise hatte Kinnard Salem noch nicht verlassen. Sie ließ ihn über den Apparat in der Information des Salem Hospital ausrufen.
Eine halbe Stunde später traf er sich mit ihr in der Cafeteria. Er trug noch seinen Arztkittel, weil er unmittelbar aus dem Operationssaal gekommen war. Sie hatte sich inzwischen mit einer Tasse Tee die Zeit vertrieben.
»Hoffentlich störe ich nicht«, sagte Kim, als er ihr gegenüber Platz nahm.
»Schön, dich zu sehen«, begrüßte sie Kinnard.
»Ich muß dich etwas fragen«, kam sie sofort zur Sache.
»Könnte als Nebeneffekt eines psychotropen Präparats Vergeßlichkeit auftreten?«
»Unbedingt«, sagte er. »Aber ich muß das einschränken und hinzufügen, daß es eine ganze Menge Dinge gibt, die das Kurzzeitgedächtnis beeinträchtigen. Das ist ein sehr unspezifisches Symptom. Soll ich aus deiner Frage schließen, daß Edward derartige Probleme hat?«
»Kann ich mich auf deine Diskretion verlassen?« fragte sie.
»Das habe ich dir doch schon einmal gesagt«, erklärte Kinnard. »Edward und sein Team nehmen wohl das Präparat immer noch?«
Kim nickte.
»Die sind verrückt«, sagte Kinnard. »Sie machen sich nur Schwierigkeiten damit. Hast du irgendwelche anderen Auswirkungen bemerkt?«
Kim lachte kurz. »Du wirst es nicht glauben«, sagte sie. »Die Reaktion ist geradezu dramatisch. Bevor sie das Präparat nahmen, haben sie sich die ganze Zeit gestritten, waren mürrisch und schlechtgelaunt. Jetzt sind sie ständig bester Laune. Sie könnten nicht glücklicher und zufriedener sein. Man hat den Eindruck, ihre Arbeit ist ein einzig großes Fest, und dabei schuften sie fieberhaft bis in die Nacht hinein.«
»Das klingt doch gut«, sagte Kinnard.
»In mancher Hinsicht ist es das auch«, räumte Kim ein. »Aber wenn man eine
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