Das Experiment
plötzlich aufsprang. Und zwar so heftig, daß der Stuhl davonschoß und gegen einen Schrank prallte. Er schob sein Gesicht so nahe an Kims, daß sie in seinen hervortretenden Augen Spinnennetze geröteter Äderchen sehen konnte.
»Später, habe ich gesagt!« stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und funkelte sie an, als wolle er sie herausfordern, ihm zu widersprechen.
Kim trat einen Schritt zurück und stieß gegen einen Labortisch. Sie tastete hinter sich, um sich zu stützen, und dabei fiel ein Becher auf den Boden. Er zersprang und zerrte damit noch weiter an ihren ohnehin strapazierten Nerven.
Sie rührte sich nicht, sondern musterte Edward beunruhigt. Sein Verhalten war wieder so, als stehe er kurz davor auszurasten, so wie damals, als er in seinem Apartment in Cambrigde das Weinglas an die Wand geworfen hatte. Allem Anschein nach war etwas Bedeutsames vorgefallen, etwas, das eine größere Meinungsverschiedenheit ausgelöst hatte.
Kims erste Reaktion war Mitgefühl für Edward, weil sie wußte, wie schwer er gearbeitet hatte. Aber dann fing sie sich wieder. Ihre neugewonnene Erkenntnis ließ sie begreifen, daß sie mit solchen Gedanken wieder in die alten Gewohnheiten zurückfiel. Kim hatte sich fest vorgenommen, nach Elizabeths Botschaft zu handeln. Sie mußte jetzt an sich selbst und ihre eigenen Bedürfnisse denken.
Doch sie war auch Realistin und wußte, daß Edward jetzt nicht in der Stimmung für ein Gespräch über ihre Beziehung war.
»Es tut mir leid, wenn ich dich gestört habe«, sagte Kim. »Es ist offensichtlich nicht der richtige Augenblick für ein Gespräch. Ich gehe hinüber ins Cottage. Ich muß mit dir sprechen, komm bitte, sobald du dazu in der Lage bist.«
Kim wandte sich von dem immer noch finster blickenden Edward ab und schickte sich zum Gehen an. Nach ein paar Schritten blieb sie stehen und drehte sich um.
»Ich habe heute etwas erfahren, das du wissen solltest«, begann sie. »Ich habe Grund zu der Annahme, daß Ultra teratogen sein könnte.«
»Wir werden das Präparat an trächtigen Mäusen und Ratten erproben«, erwiderte Edward mürrisch. »Aber im Augenblick haben wir ein dringenderes Problem.«
Kim sah, daß Edward an der linken Wange eine Schürfwunde hatte. Auch seine Hände wiesen Schnitt- und Schürfwunden auf, wie sie sie schon bei Curt gesehen hatte.
Sie trat wieder einen Schritt näher. »Du hast dich verletzt«, sagte sie und beugte sich vor, um sich die Verletzung näher zu betrachten.
»Das ist nichts«, wehrte Edward ab und machte sich wieder an die Arbeit.
Erschüttert verließ Kim das Labor; sie konnte Edwards Stimmung oder Verhalten einfach nicht mehr einschätzen. Draußen war es inzwischen erheblich dunkler geworden, die Luft schien stillzustehen, die Blätter an den Bäumen hingen schlaff herunter. Einige wenige Vögel huschten über den drohenden Himmel und suchten Zuflucht.
Kim fuhr hinüber zum Cottage und begab sich zuallererst in den Salon. Mit neuer Sympathie, Bewunderung und Dankbarkeit blickte sie zu ihrer Ahnfrau auf. Nachdem sie eine Weile das starke, feminine Gesicht mit den leuchtenden, grünen Augen betrachtet hatte, spürte sie, daß sie ruhiger wurde. Kim wußte trotz des Rückschlags im Labor, daß sie diesmal keine Kehrtwendung vollziehen würde. Sie würde auf Edward warten und mit ihm sprechen.
Sie löste ihren Blick schließlich von dem Bild und schlenderte in dem Cottage herum, das Elizabeth bewohnt hatte und jetzt auch sie. Trotz der Einsamkeit der letzten Wochen war es ein behagliches, romantisches Haus; unwillkürlich kam ihr der Gedanke, daß es in Kinnards Gesellschaft ganz anders gewesen wäre als in Edwards.
Dann stand sie im Eßzimmer, das zu Elizabeths Zeit die Küche gewesen war, und stellte voll Bedauern fest, wie selten der Tisch benutzt worden war. Für sie gab es keinen Zweifel mehr, daß sie den ganzen September vergeudet hatte, und sie machte sich Vorwürfe, daß sie sich von Edward so hatte beeinflussen lassen.
In einer plötzlichen Aufwallung von Zorn ging Kim noch einen Schritt weiter und gestand sich zum erstenmal ein, daß Edwards beginnende Habgier und seine neue, von Ultra bestimmte Persönlichkeit sie abstießen. In ihrem Bewußtsein war kein Platz für ein von Medikamenten erzeugtes Selbstverständnis, Selbstbewußtsein oder gar Glücksgefühl. Das alles war unecht. Die Vorstellung von kosmetischer Psychopharmakologie widerte sie an.
Kim seufzte. Sie war physisch wie psychisch
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