Das Experiment
erzähl mir bloß nicht, daß du mich deshalb heute abend hier herbestellt hast«, schnaubte Kim aufgebracht. Sie merkte, wie ihr Puls zu rasen begann. »Ich wäre niemals gekommen, wenn ich das auch nur geahnt hätte.«
»Beruhige dich doch«, versuchte Stanton seine Cousine zu beschwichtigen. »Warum regst du dich denn so auf? Es wird schon alles gutgehen. Verlaß dich ganz auf mich.«
»Es ist doch noch viel zu früh«, sagte Kim resigniert.
»Es ist nie zu früh«, entgegnete Stanton. »Mein Motto lautet: Heute ist, was gestern noch morgen war.«
»Du bist unmöglich, Stanton«, sagte Kim. »Ich habe keine Lust auf irgendwelche Verabredungen. Außerdem sehe ich furchtbar aus.«
»Das ist nicht wahr«, widersprach Stanton. »Glaub mir, Edward Armstrong wird hin und weg sein, wenn er dich sieht. Ein Blick in deine smaragdgrünen Augen – und er wird schwach.«
»Das ist doch lächerlich«, schnaubte Kim.
»Aber ich will ehrlich sein«, gestand Stanton. »Ich hatte auch noch etwas anderes im Sinn, als ich dich herbestellt habe. Ich versuche schon seit längerem, Edward für eine meiner Biotechnologie-Firmen zu gewinnen. Und jetzt, wo ich mit Genetrix an die Börse gehen will, brauche ich ihn dringender denn je. Ichdachte, ich kann ihm das Ganze vielleicht schmackhafter machen, indem ich ihn mit meiner bezaubernden Cousine bekannt mache. Vielleicht beißt er dann an und übernimmt den Posten im wissenschaftlichen Beirat von Genetrix. Allein sein Name wäre Gold wert und könnte bei der Börseneinführung locker vier bis fünf Millionen Dollar zusätzlich einbringen. Und ihn selbst kann ich dabei auch zum Millionär machen.«
Kim schwieg und starrte in ihr Weinglas. Sie war wütend. Bisher hatte sie sich nur unsicher gefühlt, jetzt kam sie sich mißhandelt und ausgenutzt vor. Doch sie behielt ihren Ärger für sich. Es war ihr noch nie leichtgefallen, sich zur Wehr zu setzen. Wie immer hatte Stanton sie mit seiner manipulativen, eigennützigen und zugleich offenen Art völlig überrumpelt.
»Vielleicht will Edward Armstrong ja gar kein Millionär werden«, sagte sie schließlich.
»Unsinn«, widersprach Stanton. »Jeder will gerne Millionär sein.«
»Daß du dir das nicht vorstellen kannst, wundert mich nicht«, stellte Kim fest. »Aber es gibt auch Menschen, die nicht nur ans Geld denken.«
»Edward ist ein richtiger Gentleman«, warf Candice ein.
»Hört sich so an, als wolltet ihr mir meinen unbekannten Rendezvouspartner um jeden Preis schönreden. Nach dem Motto ›Hauptsache, er beißt nicht‹.«
Stanton gluckste. »Weißt du, meine liebe Cousine, du magst zwar einen psychischen Knacks haben, aber deinen Humor hast du nicht verloren.«
»So habe ich das gar nicht gemeint«, sagte Candice. »Edward ist einfach ein aufmerksamer Mensch. Und ich finde, das ist eine wichtige Eigenschaft. Ich war zuerst gegen Stantons Idee, dich mit Edward zusammenzubringen, aber dann dachte ich, daß es doch eigentlich ganz schön für dich wäre, einen so zuvorkommenden Mann kennenzulernen. Zwischen Kinnard und dir ist es ja wohl recht stürmisch zugegangen. Ich finde, du hast einen besseren Mann verdient.«
Kim traute ihren Ohren nicht. Als ob Candice irgend etwas über Kinnard wußte. Doch Kim hielt sich zurück. »Wenn Kinnard und ich Probleme miteinander hatten, dann haben wir beide unseren Teil dazu beigetragen«, stellte sie klar.
Kim schielte zur Tür. Am liebsten wäre sie einfach aufgestanden und gegangen. Doch das entsprach einfach nicht ihrer Art, obwohl sie sich im Moment dafür verfluchte.
»Edward ist übrigens nicht nur sehr zuvorkommend«, fing Stanton wieder an. »Er hat auch sonst eine Menge zu bieten. Er ist nämlich ein Genie.«
»Oh, das ist ja phantastisch! Dann wird Mr. Armstrong mich nicht nur unattraktiv, sondern auch noch stinklangweilig finden. Es gehört nicht zu meinen besonderen Fähigkeiten, mit irgendwelchen Genies geistreiche Konversation zu treiben.«
»Ihr werdet prima miteinander auskommen«, versuchte Stanton sie zu beruhigen. »Ihr arbeitet in ähnlichen Bereichen. Edward ist Doktor der Medizin. Wir haben zusammen in Harvard studiert. Als Studenten haben wir oft gemeinsame Experimente und Laborversuche durchgeführt. Im dritten Jahr hat er dann aber die Fakultät verlassen, um in Biochemie zu promovieren.«
»Ist er praktizierender Arzt?« fragte Kim.
»Nein«, erwiderte Stanton. »Er arbeitet in der Forschung. Er hat sich darauf spezialisiert, die chemischen Prozesse
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