Das Experiment
habe ja noch gar nicht gewußt, konterte sie, daß er sich sexuell umorientiert habe.
»Wie bitte?« fragte Stanton vollkommen perplex.
»Nun, ich bin sicher, daß du mich wegen meiner intellektuellen Fähigkeiten attraktiv findest«, erklärte sie. »Also muß die Hirnhälfte, die für die niederen Instinkte zuständig ist, auf Edward reagieren.«
Edward gluckste. Stantons Schlagfertigkeit war sein Markenzeichen. Noch nie hatte Edward es erlebt, daß er von jemandem übertroffen wurde. Stanton lachte jetzt auch und versicherte Eleanor, daß ihre Intelligenz ihn für ihre anderen Reize blind gemacht habe.
Dann wandte er sich an Edward. »Spaß beiseite«, sagte er. »Reden wir von der Genetrix-Broschüre. Was hältst du von der Sache?«
»Ich hatte noch keine Zeit, sie mir anzusehen«, gestand Edward.
»Aber du hast es mir doch versprochen«, beschwerte sich Stanton. »Sollte ich meiner Cousine etwa mitteilen müssen, daß du ein unzuverlässiger Typ bist und sie sich besser nicht mehr mit dir treffen sollte?«
»Wer ist denn diese Cousine?« wollte Eleanor wissen und knuffte Edward freundschaftlich in die Rippen.
Edward wurde vor Verlegenheit knallrot. Er hatte keine Lust, jetzt über Kim zu reden. Als er etwas sagen wollte, merkte er, daß er sich verhaspeln würde, und das war ihm im Labor noch nie passiert. »Ich habe keine Zeit gehabt, überhaupt irgend etwas zu lesen«, brachte er mit einiger Mühe hervor. »Es hat sich in der Zwischenzeit etwas ergeben, das dich vielleicht auch interessieren dürfte.«
»Wollen wir hoffen, daß deine Geschichte gut ist«, erwiderte Stanton. Dann klopfte er Edward kumpelhaft auf den Rücken und sagte, daß er das mit Kim natürlich nicht ernst gemeint habe. »Ich würde euch Turteltäubchen doch nicht in die Quere kommen. Meine Tante hat mir schon erzählt, daß der alte Stewart euch beide in Salem überrascht hat. Ich hoffe für dich, alter Schlingel, daß er euch nicht in flagranti erwischt hat!«
Edward hustete nervös und gab Stanton mit einem Zeichen zu verstehen, daß er sich einen Stuhl heranziehen solle. Dann kam er sofort auf den neuen Pilz und die neuartigen Alkaloiden zu sprechen. Er klärte ihn darüber auf, daß mindestens eines der Alkaloide eine psychotrope Wirkung habe, und verriet ihm, warum er sich dessen so sicher sei. Um seinen Bericht zu unterstreichen, reichte er Stanton die drei Teströhrchen und erklärte ihm, daß sie es erst vor wenigen Minuten geschafft hatten, die neuen Verbindungen zu isolieren.
»Eine faszinierende Geschichte«, sagte Stanton und stellte die Teströhrchen wieder auf die Arbeitsfläche. »Aber wie kommst du auf die Idee, daß ausgerechnet ich dieses Projekt interessant finden könnte? Ich bin doch ein praktischer Mensch. Diese esoterischen Geschichten, an denen ihr Wissenschaftler euch so wahnsinnig erfreuen könnt, lassen mich eher kalt.«
»Meiner Meinung nach könnten sich diese Alkaloide sehr bald in bare Münze umsetzen lassen«, erklärte Edward. »Wir stehen vielleicht kurz davor, eine absolut neue Gruppe von psychotropen Wirkstoffen zu entdecken, die zumindest in der Forschung Anwendung finden dürften.«
Plötzlich war Stanton ganz Ohr. Seine lässige und beiläufige Art war mit einem Schlag verschwunden. »Neue Wirkstoffe?« fragte er. »Das klingt in der Tat interessant. Wie stehen denn die Chancen, daß man sie auch klinisch einsetzen kann?«
»Ich glaube, die Chancen sind ausgezeichnet«, erwiderte Edward. »Vor allem wenn man bedenkt, daß es im Bereich der modernen synthetischen Chemie jede Menge Techniken gibt, mit denen man Moleküle modifizieren kann. Hinzu kommt, daß ich mich nach meinem Rauscherlebnis mit dem Rohextrakt ganz eigenartig gefühlt habe; ich war total energiegeladen und hatte plötzlich einen völlig klaren Kopf. Ich könnte mir vorstellen, daß die Alkaloide über ihre halluzinogene Wirkung hinaus auch noch andere Prozesse im Hirn auslösen.«
»Das ist ja phantastisch!« staunte Stanton. Sein Puls beschleunigte sich, denn sein Spürsinn verriet ihm, daß hier vielleicht ein großes Geschäft zu machen war. »Womöglich wird das eine ganz heiße Sache.«
»Genau das haben wir auch gedacht«, pflichtete Edward ihm bei.
»Ich rede davon, daß ihr vielleicht einen Haufen Geld verdienen könnt«, erklärte Stanton.
»Wir wollen in erster Linie herausfinden, was diese neuartigen psychoaktiven Wirkstoffe der Wissenschaft bringen können«, stellte Edward klar. »Im Bereich der
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