Das Experiment
Hirnforschung wartet die ganze Welt gespannt auf den entscheidenden Durchbruch. Und wer weiß? Vielleicht ist unsere Entdeckung der Schlüssel zu diesem Durchbruch! Wenn es so wäre, dann müßten wir nur genügend Geld auftreiben, um den Stoff in großen Mengen zu produzieren. Denn dann würden uns Forscher aus der ganzen Welt das Zeug aus den Händen reißen.«
»Schön und gut«, warf Stanton ein. »Ich finde es ja prima, daß du so ehrgeizige Ziele hast. Aber warum willst du nicht zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und neben dem wissenschaftlichen Erfolg auch noch einen Haufen Geld verdienen?«
»Es reizt mich eben nicht besonders, Millionär zu werden«, sagte Edward. »Das solltest du langsam wissen.«
»Millionär?« erwiderte Stanton lachend. »Wenn dein neuer Wirkstoff gegen Depressionen oder Angstzustände hilft, oder sogar gegen beides gleichzeitig, dann könntest du demnächst eine Milliarde Dollar einstreichen.«
»Hast du eine Milliarde gesagt?«
»Ja«, wiederholte Stanton. »Eine Milliarde Dollar! Und ich übertreibe nicht. Die Erfahrungen mit Librium und Valium und auch mit Prozac zeigen doch, daß die Nachfrage nach klinisch wirksamen psychotropen Mitteln schier unbegrenzt ist.«
Edward starrte mit leerem Blick aus dem Fenster auf das Gelände der Harvard Medical School. Als er wieder ansetzte, etwas zu sagen, hatte seine Stimme einen flachen, tranceartigen Klang. »Was müßte man deiner Einschätzung und Erfahrung nach tun, um eine derartige Entdeckung zu vermarkten?«
»Nicht viel«, sagte Stanton. »Du mußt eine Firma gründen und den Wirkstoff patentieren lassen. So einfach ist das. Solange das nicht passiert ist, muß die Entdeckung unter allen Umständen geheimgehalten werden.«
»Niemand weiß etwas davon«, sagte Edward. Er wirkte immer noch etwas verwirrt. »Wir wissen ja selber erst seit ein paar Tagen, daß wir es mit etwas Neuem zu tun haben. Und außer Eleanor und mir hat niemand an diesem Projekt gearbeitet.« Kim erwähnte er lieber nicht, weil er befürchtete, Stanton würde das Gespräch dann wieder auf sie lenken.
»Je weniger Leute Bescheid wissen, um so besser«, erklärte Stanton. »Am besten schreite ich so schnell wie möglich zur Tat und gründe eine Firma. Dann kann nichts mehr schiefgehen, wenn die Dinge sich weiterhin gut entwickeln.«
Edward rieb sich erst die Augen und dann das ganze Gesicht. Nachdem er ein paarmal tief eingeatmet hatte, schien er aus seiner Trance zu erwachen. »Das geht mir ein bißchen zu schnell«, sagte er. »Bevor wir genau wissen, auf was wir gestoßen sind, müssen Eleanor und ich noch eine Menge Untersuchungen durchführen.«
»Und was wollt ihr als nächstes tun?« fragte Stanton.
»Gut, daß du fragst«, erwiderte Edward und ging hinüber zu einer Glasvitrine. »Darüber hatte ich mich gerade mit Eleanor unterhalten, als du kamst. Wir müssen zunächst feststellen, welche von diesen Verbindungen auf die Psyche wirkt.« Edward kam mit drei Glaskolben zurück und stellte sie auf die Arbeitsplatte. In jeden Kolben gab er eine winzige Menge jeweils eines anderen Alkaloids und füllte sie alle mit einem Liter destillierten Wasser auf. Anschließend schüttelte er die Kolben kräftig durch.
»Und wie willst du das feststellen?« wollte Stanton wissen; doch da er Edwards Geschichte kannte, ahnte er schon, was nun folgen würde.
Edward nahm drei Milliliter-Pipetten aus einer Schublade. »Will mir jemand Gesellschaft leisten?« fragte er. Doch weder Eleanor noch Stanton gaben ihm Antwort.
»Ihr Feiglinge«, zog Edward sie auf, fügte dann aber hinzu: »Das hab’ ich natürlich nicht so gemeint. Ich will euch nur in meiner Nähe haben – man kann ja nie wissen. Ich stürze mich auch gerne allein ins Vergnügen.«
Stanton sah Eleanor an. »Ist er jetzt völlig übergeschnappt oder was?«
Eleanor nahm Edward kritisch ins Visier. Sie wußte, daß er normalerweise nie etwas Unbesonnenes tat. Sie hatte noch nie jemanden kennengelernt, der sein Fach so gut beherrschte wie er. Auf dem Gebiet der Biochemie war er für sie unschlagbar. »Du bist dir ganz sicher, daß nichts passieren kann, nicht wahr?« fragte sie.
»Es kann nicht schlimmer sein als ein paar Züge von einem Joint«, entgegnete er. »Ein Milliliter enthält doch höchstens ein paar millionstel Gramm. Außerdem habe ich doch schon von dem verhältnismäßig groben Extrakt gekostet, und dabei ist mir auch nichts Schlimmes passiert. Im Gegenteil – es hat mir sogar
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