Das Experiment Angel - Maximum Ride ; 1
hatte, die Tränen zurückzuhalten.
»Ich bin bloß geschwommen«, sagte Angel. »Und dann habe ich zufällig Wasser geschluckt und musste husten. Aber ich wollte nicht, dass Gasi mich findet. Wir haben doch Verstecken gespielt«, erklärte sie. »Unter Wasser. Deshalb bin ich einfach unten geblieben, und dann habe ich gemerkt, dass ich das Wasser schlucken und unten bleiben konnte, ohne zu ersticken.«
»Was meinst du – Wasser schlucken?«, fragte ich.
»Ich habe es einfach geschluckt und dann so gemacht.« Angel presste Luft aus der Nase. Beinahe hätte ich über das komische Gesicht gelacht, das sie machte.
»Es kommt aus deiner Nase raus?«, fragte Fang.
»Nein«, antwortete Angel. »Ich weiß nicht, wo das Wasser hingeht. Aber Luft kommt aus meiner Nase.«
Ich schaute Fang an. »Sie zieht den Sauerstoff aus dem Wasser.«
»Kannst du uns das zeigen?«, fragte Fang.
Angel stand auf und lief zum Wasser. Sie ging bis zur Taille hinein. Ich war dicht neben ihr, damit sie uns ja nicht wieder verloren ging, nicht mal für eine Sekunde.
Sie kniete nieder, nahm den Mund voll Wasser und stand auf. Sie schien das Wasser zu schlucken, dann blies sie Luft aus der Nase. Meine Augen traten vor, dass ich Angst hatte, sie würden herausfallen. Aus unsichtbaren Poren an Angels Hals sickerte Meereswasser heraus.
»Wahnsinn«, stieß der Gasman hervor.
Nudge schilderte Iggy, was passierte. Er stieß einen anerkennenden Pfiff aus.
»Und das kann ich machen und damit unten bleiben und einfach weiterschwimmen«, sagte Angel. Sie schüttelte die Schultern und entfaltete die Flügel, damit diese in der Sonne trocknen konnten.
»Ich wette, das kann ich auch«, erklärte der Gasman. »Weil wir Geschwister sind.«
Er hockte sich ins Wasser und nahm den Mund voll. Dann schluckte er und versuchte Luft auszustoßen.
Er würgte und fing an, heftig zu husten. Meereswasser floss aus seiner Nase. Wieder würgte er. Beinahe hätte er sich übergeben.
»Alles okay?«, fragte ich, als er endlich wieder normal atmete.
Er nickte, sah aber immer noch aus, als sei ihm kotzübel.
»Iggy«, sagte ich. »Fühle doch mal Angels Hals. Vielleicht kannst du diese Poren spüren, wo das Wasser rauskommt.«
Wie Federn glitten Iggys Fingerspitzen über ihre helle Haut am ganzen Hals. »Ich kann überhaupt nichts fühlen«, sagte er. Das überraschte mich.
Nur um sicher zu sein, probierten wir es alle. Aber nur Angel konnte es. Ich erspare dir die ekligen Einzelheiten. Ich will nur so viel sagen, es gibt da einen Uferstreifen, neben dem ich nicht im Meer schwimmen möchte.
Also konnte Angel unter Wasser atmen. Unsere Fähigkeiten zeigten sich immer deutlicher, fast als hätte man sie so programmiert, dass sie zu unterschiedlichen Zeiten ans Licht kamen. Irgendwie hatte ich das Gefühl, als hätte ich beim Damespiel eine Dame gemacht – plötzlich verfügte man über mehr Kraft, mehr Macht als zuvor.
Echt abartig!
Überhaupt nicht abartig, Max! , meldete sich die Stimme. Göttlich. Brillant. Ihr sechs seid Kunstwerke. Genießt es.
Würde ich gern, wenn ich nicht ständig um mein Leben rennen müsste , dachte ich stinksauer. Mein Gott! Kunstwerke oder Missgeburten? Glas halb voll oder halb leer? Als würde ich nicht gern meine Flügel abgeben, wenn ich als Gegenleistung ein normales Leben mit normalen Eltern und normalen Freunden leben könnte!
Die Stimme in meinem Kopf lachte. Aber, Max , sagte die Stimme. Du und ich wissen, dass das nicht stimmt. Eine normale Familie und ein normales Leben wären für dich doch sterbenslangweilig.
»Wer hat dich gefragt?«, sagte ich wütend.
»Was gefragt?«, sagte Nudge überrascht.
»Ach, nichts«, meinte ich. Da hast du es! Manche Menschen haben coole Fähigkeiten. Sie können Gedanken lesen und unter Wasser schwimmen. Andere haben quälende Stimmen im Kopf.
Was war ich doch für ein Glückskind!
Was würdest du denn gern können, Max? , fragte die Stimme. Wenn du dir etwas aussuchen dürftest.
Hmmm. Darüber hatte ich noch nicht nachgedacht. Ich meine, ich konnte schon fliegen. Vielleicht würde ich gern Gedanken lesen können, wie Angel. Aber dann würde ich alles wissen, was alle dachten. Zum Beispiel, ob jemand mich tatsächlich nicht mochte, nur so tat. Was, wenn ich freie Wahl hatte?
Vielleicht würdest du die Welt retten wollen , sagte die Stimme. Hast du je darüber nachgedacht?
Nein. Ich runzelte die Stirn. Das überlasse ich den Erwachsenen.
Aber die Erwachsenen sind es, die die
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