Das Experiment
begonnen hatte.
„Weißt du eigentlich, dass wir uns noch nie über deine Karriere unterhalten haben? Ich möchte wetten, dass du vielen interessanten Menschen begegnet bist. Wen hast du am liebsten interviewt?“
„Sully, ich …“
Der Bericht wechselte von Archivaufnahmen zu einem Ausschnitt von Karnoffs Begrüßungsrede an die Mediziner.
„Mach lauter!“ sagte Ginny.
Ihr Tonfall hatte etwas Beunruhigendes, aber Sully stellte den Fernseher lauter, ohne etwas zu sagen. Im nächsten Moment erfüllte Emile Karnoffs tiefe, dröhnende Stimme den Raum.
„… ein lebenslanges Streben nach dem menschlichen Geist und dem Verstand. Wie Sie wissen, nutzen wir nur einen Bruchteil dieses wunderbaren Gehirns, das Gott uns geschenkt hat. Wir sind zu so viel mehr in der Lage, wenn wir …“
„Ich kenne ihn.
Ich kenne ihn.“
Sully sah sie an, und im gleichen Moment lief ihm ein Schauder über den Rücken. Ihn beunruhigte nicht nur, dass sie die Worte in einem kindlichen Singsang von sich gegeben hatte, sondern auch, wie sie mit geschlossenen Augen dasaß und dem Mann zuhörte.
Oh Gott!
„Ginny?“
„Hörst du die Kraft?“
Er starrte sie an und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen.
„Was meinst du?“
„In seiner Stimme. Hörst du das? Ich kenne ihn.“
„Natürlich kennst du ihn. In den letzten Monaten ist er doch ständig irgendwo im Fernsehen. Es kommt schließlich nicht so oft vor, dass einem Amerikaner ein Nobelpreis verliehen wird.“
Sie schaukelte vor und zurück, die Augen noch immer geschlossen. Ihre Hände zitterten fast unmerklich.
„Ich kenne ihn.“
Panik erfasste Sully. Er sprang vom Sofa auf und lief in die Küche, wo er das Walkie-Talkie hatte liegen lassen. „Franklin, hier ist Sully. Ich brauche dich hier. Sofort.“
Er wartete nicht auf eine Antwort, sondern kehrte ins Wohnzimmer zurück.
Franklin Chee kam mit gezogener Waffe durch die Vordertür ins Haus.
Sully schüttelte den Kopf und deutete auf Ginny. Franklin steckte die Waffe weg und ging zu Ginny. Mit geschlossenen Augen und die Hände im Schoß zusammengelegt, schaukelte sie wie ein Kind immer noch vor und zurück.
„Wann ist das passiert?“ fragte Chee.
„Gerade eben.“
„Weißt du, was es ausgelöst hat?“
Sully zeigte auf den Fernseher. Gerade wurde das Gesicht von Emile Karnoff ausgeblendet und durch den Nachrichtensprecher ersetzt, der sich der nächsten Meldung zuwandte.
„Wer war das?“ wollte Franklin wissen.
„Emile Karnoff.“
„Der Nobelpreisträger, der Krankheiten mit Hypnose heilt“, sagte Franklin und kam damit Sullys Erklärung zuvor.
Er kniete vor ihr nieder und legte eine Hand auf ihr Knie.
„Ginny?“
„Ja, Herr Lehrer?“
Der Klang ihrer eigenen Stimme ließ sie zusammenzucken, dann öffnete sie die Augen.
„Franklin! Ich dachte, Sie wären jemand anderes.“
„Himmel“, murmelte Sully, als ihm klar wurde, was ihre Worte bedeuteten. Die ganze Zeit hatten sie nach einem Lehrer gesucht. Was wäre aber, wenn …?
„Ginny, wo warst du gerade eben?“ fragte Franklin.
Verwirrt sah sie ihn an und entgegnete: „Sind wir irgendwo gewesen?“
Sully stöhnte. „Verdammt, Franklin, sag mir, dass ich das Falsche denke!“
Der zuckte nur mit den Schultern. „Das kann ich leider nicht. Ich weiß nicht, was ihr gesehen habt oder warum Ginny weggetreten ist, aber ich weiß, in welche Richtung du denkst. Rufst du Dan an oder soll ich das erledigen?“
Ginny legte die Hände vor ihr Gesicht, und Sully setzte sich sofort neben sie.
„Es ist alles in Ordnung, Baby. Ich war die ganze Zeit bei dir. Dir ist nichts passiert.“
Ärgerlich schob sie ihn fort. „Nichts passiert? Du findest, das ist nichts, wenn ich geistig wegtrete?“
„Ich werde Dan anrufen“, sagte Franklin und stand auf.
„Du kannst das Telefon in der Küche benutzen, wenn du willst.“
Franklin klopfte auf seine Tasche. „Ich habe meines dabei. Bin gleich zurück.“
Er ging aus dem Haus und ließ Sully mit Ginny allein.
„Wieso ist das geschehen?“ murmelte Ginny. „Was war los? Du hast doch nicht das Band abgespielt, wieso …“
„Du kannst dich nicht erinnern?“
„Nein“, antwortete sie und sprang auf, da sie nicht länger sitzen konnte. „Wir haben uns die Nachrichten angesehen, und dann …“ Sie runzelte die Stirn und starrte zu Boden, während sie im Geist die Ereignisse noch einmal durchging. „Dann kam … dann kam etwas über einen Nobelpreisträger, richtig?“
Er nickte.
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