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Das fahle Pferd

Das fahle Pferd

Titel: Das fahle Pferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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»Was mich dabei beunruhigt, ist das ›Fahle Pferd‹. Ich verstehe das nicht.«
    »Und das bereitet Ihnen Sorgen? Zugegeben, das geht vielen Leuten so. ›Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde …‹ und so weiter. Ehrlich gestanden, ich begreife es selbst nicht. Aber die Resultate sind einfach überwältigend.«
    »Könnten Sie mir nicht etwas mehr darüber erzählen?«
    Ich hatte mich jetzt vollständig in meine Rolle eingelebt – vorsichtig, wissbegierig, jedoch etwas ängstlich. Es war offensichtlich ein Verhalten, dem Mr Bradley schon häufig begegnet war.
    »Kennen Sie die Gegend persönlich?«
    Ich musste mich rasch entscheiden und ich begriff, dass es unklug wäre zu schwindeln.
    »Ich… nun ja… ich war mit ein paar Freunden dort… man hatte mich eingeladen…«
    »Reizendes altes Haus, nicht wahr? Voll historischer Andenken… und so ausgezeichnet restauriert. Sie sind meiner Freundin also schon begegnet? Ich meine Miss Grey?«
    »Ja – ja, natürlich. Eine außergewöhnliche Frau.«
    »Nicht wahr? Das sage ich auch immer. Sie haben genau das richtige Wort getroffen: eine außergewöhnliche Frau… und mit außergewöhnlichen Kräften begabt.«
    »Was sie alles zu können vorgibt! Sicher ist das doch… völlig unmöglich… oder?«
    »Richtig, richtig! Das ist der springende Punkt. Was sie zu wissen und… zu können vorgibt, ist einfach unmöglich! Das würde jedermann sagen. Ein Gerichtshof zum Beispiel…«
    Die kleinen schwarzen Augen schienen mich durchbohren zu wollen. Mr Bradley wiederholte die Worte mit besonderem Nachdruck.
    »Ein Gerichtshof zum Beispiel würde alles als Unsinn abtun. Selbst wenn diese Frau aufstehen und sich zu einem Mord bekennen wollte – einem ›ferngelenkten Mord‹ oder ›Mord durch Willenskraft über das Unterbewusstsein‹ oder welch unsinnige Bezeichnung sie auch dafür hätte – nun, jeder Richter würde sie nur auslachen! Selbst wenn ihre Angaben vollkommen zu Recht bestünden – was vernünftige Menschen wie Sie und ich natürlich niemals glauben könnten! –, würden sie vor Gericht nicht anerkannt werden. Ein ferngelenkter Mord ist in den Augen des Gesetzes kein Mord… es ist einfach barer Unsinn. Das ist ja das Großartige dabei – und das werden auch Sie zu würdigen wissen, wenn Sie darüber nachdenken.«
    Ich begriff, dass ich beruhigt werden sollte. Mord durch okkulte Kräfte galt nach englischem Gesetz nicht als Mord. Wenn ich einen Gangster anwerben würde, um mit Dolch oder Pistole einen Menschen umzubringen, dann könnte ich als Komplize verurteilt werden. Käme ich aber auf den Gedanken, Thyrza Grey mit ihrer schwarzen Magie den gleichen Auftrag zu erteilen, dann könnte man mir nicht das Geringste anhaben. Das war, um mit Mr Bradley zu sprechen, »das Großartige dabei«.
    Mein angeborenes Misstrauen rebellierte und hitzig rief ich aus: »Aber zum Teufel, das ist doch zu fantastisch! Ich kann einfach nicht daran glauben – es ist unmöglich!«
    »Da stimme ich Ihnen vollkommen zu. Voll-kom-men! Thyrza ist eine prächtige Frau, und sie besitzt bestimmt gewisse erstaunliche Kräfte – aber man kann nicht alles glauben, was sie sagt. Wie Sie ganz richtig bemerken: Es ist zu fantastisch. Heutzutage hält man es für völlig ausgeschlossen, dass jemand Gedankenwellen – oder wie Sie es nun nennen wollen – entweder selbst oder durch ein Medium ausstrahlen könnte… dabei ruhig in einem englischen Landhaus sitzt und Krankheit oder Tod eines Menschen veranlasst, der sich vielleicht auf Capri oder Gott weiß wo befindet.«
    »Aber genau das behauptet sie doch zu können, nicht wahr?«
    »O ja. Natürlich besitzt sie wirklich gewisse Kräfte – sie ist Schottin, und das zweite Gesicht findet man oft bei diesen Leuten. Es existiert tatsächlich. Was ich nun glaube – wirklich und ohne jeden Zweifel glaube – ist Folgendes.« Er lehnte sich vor und bewegte eindringlich den Zeigefinger. »Thyrza Grey weiß im Voraus, wann jemand sterben wird. Das ist eine Gabe, die sie einwandfrei besitzt.«
    Er schob seinen Stuhl etwas zurück und beobachtete mich. Ich wartete geduldig.
    »Nehmen wir einmal einen hypothetischen Fall an. Irgendjemand, entweder Sie selbst oder ein Mr X, möchte unbedingt wissen, wann seine Großtante Elisa sterben wird. Es ist manchmal sehr wichtig, so etwas zu erfahren, nicht wahr? Darin liegt nichts Unrechtes. Man möchte nur disponieren können. Wenn man zum Beispiel mit Sicherheit weiß, dass man im nächsten November über

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