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Das Falsche in mir

Das Falsche in mir

Titel: Das Falsche in mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Bernuth
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spezielle Kontaktschwäche, wie sie vom österreichischen Kinderarzt Hans Asperger beschrieben wurde. Aspergerbenannte diese Art der Kontaktschwäche in seiner Habilitationsschrift 1944 als autistische Psychopathie. Ich beschäftige mich seit einigen Jahren mit dieser von ihm und der russischen Kinderpsychiaterin Grunja Sucharewa untersuchten Symptomatik. Sie ist durch einen Mangel an Einfühlungsvermögen gekennzeichnet, auch durch einen Mangel an Spontanität und Begeisterungsfähigkeit, die dazu führt, dass die Patienten (wenn es sich denn um eine Krankheit handelt, was noch nicht erwiesen ist) Schwierigkeiten haben, Freunde zu finden und Beziehungen, insbesondere zum anderen Geschlecht, aufzubauen und zu pflegen. Auch L.K.s für mein Empfinden allzu erwachsen wirkende Eloquenz passt in dieses Bild.
    Allerdings nicht sein offener, freier Blick. Menschen mit autistischer Psychopathie meiden Blickkontakte, das ist ein wesentliches Kennzeichen dieser Störung.
    »Gab es niemanden in Ihrem Umfeld, der Sie interessierte?«, frage ich ihn.
    »Nein«, sagt er.
    »Warum nicht?«
    »Sie kreisen nur um ihre eigenen Befindlichkeiten. Ich langweile mich in ihrer Gegenwart.«
    »Gab es Lehrer, die Sie mochten?«
    »Mein Mathelehrer hat mich gefördert. Mathematik interessiert mich.«
    »Danach habe ich Sie nicht gefragt.«
    »Ich weiß.« Wieder dieser vollkommen unbeeindruckte Blick, der nun fast etwas Ironisches hat. Bin mir zum ersten Mal nicht sicher, ob L. K. nicht doch genauso manipulativ ist wie alleanderen Straftäter, die ich in der Vergangenheit zu beurteilen hatte.
    …
    3. Sitzung am 14.3.1978
    Im heutigen Gespräch möchte ich mich Marion Wellershoff, dem Opfer, nähern. Ich bitte ihn, dass er mir von ihr erzählt, und diesmal weigert er sich rundheraus. Er möchte nicht über sie sprechen. Ich erkläre ihm, warum das notwendig ist, er will es nicht verstehen. Zum besseren Verständnis protokolliere ich den Dialog in gekürzter Form.
    L. K.: »Ich habe gestanden.«
    Ich: »Darum geht es nicht. Wir müssen Ihre Tat verstehen.«
    L. K.: »Sie müssen nichts daran verstehen. Ich habe gestanden, ich bleibe im Gefängnis.«
    Ich: »Das reicht nicht. Wir müssen erfahren, warum Sie das getan haben. Sie haben einen Menschen gequält und umgebracht. Eventuell kann man schuldmindernde Faktoren geltend machen.«
    L. K.: »Das heißt Psychiatrie. Meinen Sie, in der Psychiatrie geht es mir besser?«
    Ich: »Ich meine, dass wir die Wahrheit kennen müssen. Ganz egal, wie es Ihnen danach geht. Die Wahrheit hat ein Recht darauf, bekannt zu werden.«
    L. K.: »Das ist ein interessanter Standpunkt. Dann ist die Wahrheit eine juristische Person?«
    Ich: »Die Wahrheit ist natürlich keine juristische Person, die Suche danach ist vielmehr eine menschliche Grundkomponente, die Motivation für unser Handeln schlechthin. Ohne sie würden wir noch auf Bäumen sitzen.«
    L. K.: »Das müssen Sie mir erklären.«
    Ich: »Ohne die Suche nach der Wahrheit wäre wahrscheinlich nicht einmal das Rad erfunden worden. Können wir wieder zum Thema kommen?«
    L. K.: »Marion wollte es so.«
    Ich: »Wie bitte?«
    L. K.: »Ich will darüber nicht sprechen.«
    Ich: »Sie wollte sterben?«
    L. K.: »Ich will darüber nicht sprechen.«
    Ich: »Sie haben Marion umgebracht, weil sie sterben wollte?«
    L. K.: »Ich will darüber nicht sprechen.«
    Ich: »Es ist wichtig.«
    L. K.: »Nein.«
    Ich: »Doch. Auch um Ihrer selbst willen.«
    L. K.: »Ich bin nicht wichtig.«
    Ich: »Sie sind wichtig. Genauso wie jeder andere.«
    L. K.: »Das ist Psycho-Geschwätz. Menschen wie ich sind nicht wichtig. Menschen wie Marion sind wichtig.«
    Ich: »Warum haben Sie sie dann getötet?«
    L. K.: »Das ist egal.«
    Ich: »Bitte erklären Sie mir das.«
    L. K.: »Nein.«
    Kurze Kaffeepause. Dann:
    Ich: »Lassen Sie uns von vorn anfangen.«
    L. K.: »Womit?«
    Ich: »Mit Ihnen und Marion. Beginnen Sie damit, wie Sie sich kennengelernt haben.«
    L. K.: »In der Schule. Wir haben uns in der Schule kennengelernt.«
    Ich: »Wie begann der Kontakt zwischen Ihnen beiden?«
    L. K.: »Das führt nirgendwohin, glauben Sie mir.«
    Seine Stimme wird lauter, sein Gesicht wechselt die Farbe, er wirkt aufgebracht.
    Hierzu ein kleiner Exkurs: Viele Therapeuten fürchten die Ablehnung ihrer Klienten, dabei ist auch Ablehnung eine Gemütsbewegung, und Gemütsbewegungen, egal ob positiv oder negativ, Zorn, Freude, Angst oder Liebe, haben immer eine Transmitterfunktion. Sie sind die Spur,

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