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Das Falsche in mir

Das Falsche in mir

Titel: Das Falsche in mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Bernuth
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Drittel aller Ankömmlinge ab, was bedeutet, dass ich mir den Versuch sparen kann; ich bin offensichtlich viel zu alt und nicht reich genug, um hereingelassen zu werden. Außerdem könnte er mich erkennen, schließlich verlangt sein Beruf ein gutes Gedächtnis für Gesichter.
    Silvia läuft zwanzig Meter vor mir, zwischen zwei Freundinnen. Ich habe den ganzen Abend bis tief in die Nacht hinein damit verbracht, sie zu verfolgen, erst zu Freundin eins, dann zu Freundin zwei.
    Mittlerweile ist es halb zwei, und mir bleibt nichts anderes übrig, als draußen im Dunklen darauf zu warten, dass Silvia nach Hause geht. Möglichst allein. Dann wäre sie der ideale Köder. Das kann dauern, der Club schließt erst um vier Uhr morgens.
    Ich bin vollkommen durchgefroren, als Silvia mit ihren Freundinnen den Club betritt, dessen Türsteher sie offenbar gut kennt – so gut, dass er sie um diese Zeit hereinlässt, obwohlsie noch nicht achtzehn ist. Es schneit dicke, nasse Flocken, die sich auf meinen Wangen absetzen wie eisige Todesküsse.
    Es gibt keine Möglichkeit, sich irgendwo unterzustellen, ohne den Eingang des Clubs aus den Augen zu verlieren. Ich bereite mich darauf vor, die ganze Nacht zu warten. Seitdem ich zu wissen glaube, dass Anne vor ihrer Ermordung auf dem Weg hierher war – von einem Club war nie irgendwo die Rede, also ist sie wahrscheinlich nie angekommen –, hoffe ich, dass meine Erinnerungen zurückkehren. Aber bislang ist nichts dergleichen passiert. Stattdessen hat sich mein Zustand, falls das überhaupt noch möglich ist, verschlimmert. Ein trockener Husten schüttelt mich, mein Kopf ist leer, ich friere, mein Geld geht zur Neige, und ich weiß nicht, wo ich die nächsten Nächte bleiben soll. Ein Polizeiwagen fährt langsam an der Schlange vorbei, das Blaulicht blinkt trügerisch friedlich. Mein Herz beginnt zu klopfen, als der Wagen in zweiter Reihe parkt und zwei Polizisten aussteigen. Die Versuchung, davonzulaufen, ist riesengroß, vor allem, weil ich nicht wirklich weiß, was ich hier suche, ob sich mein vager Verdacht bewahrheiten könnte: dass der Täter seine Opfer hier erwartet. Dass er sie nur angreift, wenn sie allein sind, wenn sie in sein Beuteschema passen und möglichst den Club noch nicht betreten haben, sodass später keine Rückschlüsse auf den Ort der Entführung und vielleicht Ermordung möglich sind.
    Diese Theorie ist bestechend, sie hat nur zwei Schönheitsfehler. Erstens ist Silvia als Köder heute ungeeignet, weil sie mit Freundinnen unterwegs ist, demnach als Opfer nicht infrage käme. Zweitens ist zu viel los, um in aller Heimlichkeit einen Mord zu begehen.
    Die Polizisten stehen jetzt vor dem Club und versuchen sichtlich, sich unauffällig zu benehmen. Natürlich gelingt ihnen das nicht. Sie werden umringt von munteren jungen Leuten, die sie ausfragen wollen. Ein Mann mit Glatze, möglicherweise der Besitzer des Clubs, bahnt sich einen Weg durch die Menge,spricht mit den Polizisten, zuckt schließlich die Achseln und lässt sie gewähren.
    Die Polizisten beginnen nun, Ausweise zu kontrollieren, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass das nur ein vorgeschobener Grund für ihr Erscheinen ist. Ich halte mich im Hintergrund auf der anderen Straßenseite: ein Mann mit einem Regenschirm, der sein Gesicht halbwegs verbirgt. Was er nicht verbergen kann, ist die Tatsache, dass er hier nicht hinpasst. Allein seine Anwesenheit lässt das Durchschnittsalter um mindestens zwei Jahre ansteigen.
    Etwas hält mich fest, eine irre, durch nichts zu rechtfertigende Hoffnung: Ich, der Unschuldige, präsentiere Sina Rastegar, Benedikt Gronberg, Birgit, meinen Töchtern und dem Rest der Welt den wahren Täter. Eine wunderschöner Traum, geboren aus Kälte, Krankheit, Einsamkeit und beginnender Verrücktheit.
    Mein Husten hat sich im Lauf des Tages verschlimmert, er kommt jetzt ganz tief aus der Lunge. Mein Hals tut so weh, dass ich kaum schlucken kann, und wahrscheinlich habe ich hohes Fieber. Meine Beine zittern, ich schwitze und friere gleichzeitig.
    Einer der Polizisten sieht in meine Richtung, sagt etwas zu seinem Kollegen, drängelt sich durch die Jugendlichen, nicht zu schnell, um keinen Verdacht zu erregen. Ich kann nicht sehen, ob er mich meint, er ist noch zu weit weg. Ich gehe, ebenfalls nicht zu schnell, drehe mich kurz und unauffällig um. Es ist kein Zweifel mehr möglich, er ist hinter mir her. Sicher nicht, weil er mich erkannt hat, sondern weil ich in dieser Umgebung

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